Sieben Jahre später
mir entgegenstreckt.
»Sie sind leichtsinnig!«, schimpft er und zieht mich auf das Fensterbrett.
Sobald ich außer Gefahr bin, packe ich ihn am Kragen und hämmere mit den Fäusten auf seine Brust.
»Ich bin leichtsinnig, Sie kranker Typ? Sie hätten mich beinah umgebracht!«
Von meiner Heftigkeit verwirrt, befreit er sich, so gut er kann. Wütend packe ich seinen Koffer, der offen am Fuß des Bettes steht, um ihn aus dem Fenster zu werfen. Aber er nimmt mich in die Arme.
»Beruhigen Sie sich!«, fleht er mich an.
Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Sein Blick ist offenherzig und aufrichtig. Er strahlt eine besänftigende Menschlichkeit aus. Er riecht gut nach einem Eau de Cologne, das vermutlich Männer der Generation von Cary Grant benutzt haben.
Plötzlich bin ich sehr erregt. Ich beiße ihn in die Lippe, stoße ihn auf die Matratze und reiße seine Hemdknöpfe auf.
—
Am nächsten Morgen.
Das Klingeln des Telefons lässt mich aus dem Schlaf hochschrecken. Die Nacht war kurz. Verschlafen greife ich nach dem Hörer und setze mich auf.
Am anderen Ende bemüht sich die Wirtin, einige Sätze in Englisch zu sprechen.
Ich blinzle. Ein sanftes Licht dringt durch die Spitzenvorhänge des winzigen Zimmers. Während ich allmählich zu mir komme, stoße ich mit dem Fuß die Badezimmertür auf.
Niemand …
Sollte Sebastian Larabee mich verlassen haben?
Ich bitte die Besitzerin, es nochmals zu wiederholen.
»Ihr Cousin wartet in dem Coffeeshop um die Ecke auf Sie.«
Mein »Cousin« erwartet mich im Café an der Ecke.
Na gut, soll er warten.
Ich springe auf, dusche und sammle meine Sachen zusammen. Ich gehe die Treppe hinunter, nehme meinen Koffer, der in der Hotelhalle steht. Ich gehe an der Wirtin vorbei und stecke den Kopf zur Tür hinaus. Das Café befindet sich etwa hundert Meter weiter links. Ich gehe rechts Richtung Metrostation. Als ich etwa zwanzig Meter gelaufen bin, holt die Wirtin mich ein.
»Er hat Ihren Pass mitgenommen …«, sagt sie mit unbewegter Miene.
—
Das Café Le Feu verre ist von der Moderne verschont geblieben und wirkt wie aus den 1950er-Jahren: Zinktheke, Tischdecken mit Vichykaro, Kunstlederbänke, Resopaltische. An der Wand lehnt eine Schiefertafel, auf der die Gerichte geschrieben stehen, die am Vortag angeboten wurden: steak au poivre, coq au vin, filet de bœuf.
Als ich wütend in die Kneipe stürme, sehe ich Sebastian an einem Tisch hinten im Lokal sitzen. Ich baue mich vor ihm auf und sage drohend: »Sie geben mir sofort meinen Pass zurück!«
»Guten Morgen, Nikki. Ich hoffe, du hast gut geschlafen«, antwortet er und reicht mir den Pass. »Setz dich doch bitte. Ich war so frei, etwas für dich zu bestellen.«
Ausgehungert, wie ich bin, kapituliere ich angesichts des üppigen Frühstücks: Milchkaffee, Croissants, Toast, Konfitüren. Ich nehme einen Schluck Kaffee und greife nach meiner Serviette, wobei ich ein Päckchen mit einer Schleife entdecke.
»Was ist denn das?«
»Ein Geschenk.«
Ich verdrehe die Augen. »Sie müssen mir doch kein Geschenk machen, nur weil wir zweimal miteinander geschlafen haben. Wie war noch Ihr Name?«
»Mach es auf. Ich hoffe, es gefällt dir. Keine Sorge, es ist kein Verlobungsring.«
Ich reiße seufzend das Geschenkpapier auf. Es ist ein Buch. Eine limitierte Auflage von Die Liebe in den Zeiten der Cholera . Illustriert, wunderschön gebunden und von Gabriel García Márquez signiert.
Ich schüttle den Kopf, bin jedoch ganz berührt von der Idee. Ich habe Gänsehaut. Es ist das erste Mal, dass mir ein Mann ein Buch schenkt. Ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen steigen, dränge sie aber tapfer zurück. Diese Geste geht mir mehr unter die Haut, als mir lieb ist.
»Was soll das Ganze eigentlich?«, frage ich und schiebe den Roman zur Seite. »Der hat doch sicher ein Vermögen gekostet. Ich kann das nicht annehmen.«
»Warum?«
»Wir kennen uns nicht.«
»Wir können uns kennenlernen.«
Ich blicke aus dem Fenster. Ein betagtes Paar überquert die Straße, und man hätte nicht sagen können, wer wem als Stütze dient.
»Was geht dir durch den Kopf?« Unerfahren und kühn wagt sich Sebastian vor. »Seit vier Monaten wache ich jeden Morgen mit deinem Bild vor Augen auf.
Ich denke ständig an dich. Nichts anderes zählt mehr …«
Bestürzt schaue ich ihn an. Mir ist klar, dass dies nicht nur schöne Worte sind, dass er tatsächlich daran glaubt. Warum ist dieser Typ so naiv? So anhänglich?
Ich
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