Sieben Jahre später
Länder.
Sebastian wollte sich natürlich nicht fotografieren lassen, doch der polyglotte Paparazzo drängte: » You make such a beautiful couple!«
Er seufzte und posierte schließlich, um kein Aufsehen zu erregen, mit gezwungenem Lächeln neben seiner Exfrau.
» Cheese! «, rief der Fotograf.
Geh zum Teufel … dachte Sebastian.
» Thank you! Be back soon «, versprach der Mann, während die Kellnerin die Teller abräumte.
Die stählernen Kolonnaden des Metroviadukts Bir-Hakeim zeichneten sich in der Nacht ab.
Auf dem Schiff kamen die Gäste langsam in Stimmung. Auf einer Holzbühne in der Mitte des unteren Decks gab ein Double von Adamo, begleitet von einem Pianisten und einem Violinisten, einige Standards zum Besten: Les feuilles mortes, Fly Me to the Moon, Mon amant de Saint-Jean, The Good Life …
Die Touristen sangen mit, während die L ’ Amiral die Ufer der Île aux Cygnes erreichte. In jedem Tisch war ein Bildschirm eingelassen, der als Videoguide diente und den Passagieren Informationen und Anekdoten zu den Bauwerken lieferte, an denen sie vorbeifuhren. Nikki schaltete auf die englische Version um.
An der Spitze der Île aux Cygnes erhebt sich die berühmte Kopie der New Yorker Freiheitsstatue. Viermal kleiner als ihre Schwester, blickt sie in Richtung Vereinigte Staaten und symbolisiert die französisch-amerikanische Freundschaft.
Am Ende der Insel angelangt, hielt das Schiff kurz an, damit die Passagiere die Statue fotografieren konnten, und machte dann kehrt, um am linken Flussufer zurückzufahren.
Sebastian schenkte sich ein Glas Wein ein.
»Es ist zwar kein Gruaud-Larose, aber er ist trotzdem nicht schlecht«, meinte er.
Nikki lächelte belustigt. Ungewollt ließ er sich nach und nach von der entspannten Stimmung und der schönen Kulisse betören.
Das Schiff glitt langsam am Champ de Mars mit dem hell erleuchteten Eiffelturm vorbei. Selbst blasierte Menschen wie er konnten sich dem märchenhaften Charme des Ortes nicht entziehen. Das Essen war mittelmäßig, die Musik unerträglich, doch der Zauber von Paris überwog alles.
Sebastian trank noch einen Schluck Bordeaux und beobachtete die Familie aus Boston am Nachbartisch. Das Paar war Mitte vierzig, also etwa in ihrem Alter. Die beiden Kinder, die um die fünfzehn Jahre alt sein mochten, erinnerten ihn an Camille und Jeremy. Sebastian lauschte der Unterhaltung und verstand, dass der Vater Arzt und die Mutter Musiklehrerin am Konservatorium war. Sie vermittelten das Bild einer harmonischen Familie: Umarmungen, Schulterklopfen, Späße, gemeinsame Bewunderung der Bauwerke.
Das hätten wir sein können , dachte Sebastian traurig. Warum waren manche Menschen so ausgeglichen, während andere in Konflikten versanken? Waren nur Nikkis Verhalten und ihr Charakter schuld am Scheitern der Familie, oder hatte er selbst mit zu diesem Schiffbruch beigetragen?
Nikki bemerkte den traurigen Blick ihres Exmannes und erriet seine Gedanken.
»Das erinnert dich doch nicht etwa an uns?«
»An eine mögliche Version von uns …«
Nikki erklärte, als würde sie laut denken: »Das Problem war nicht unsere Unterschiedlichkeit, sondern die Art, wie wir damit umgegangen sind: unsere Unfähigkeit, uns in der Frage der Kindererziehung zu einigen, deine Weigerung, die Entscheidungen hinsichtlich ihrer Zukunft gemeinsam zu treffen, dieser Hass, den du gegen mich entwickelt hast …«
»Moment mal, nun verdreh bitte nicht die Tatsachen! Soll ich dich daran erinnern, was letztlich zu unserer Trennung geführt hat?«
Sie sah ihn an, verblüfft, dass er diese alte Geschichte wieder ansprach, doch er fuhr gereizt fort: »Du hast ›vergessen‹, die Kinder von der Schule abzuholen, weil du es am anderen Ende von Brooklyn mit deinem Liebhaber getrieben hast!«
»Hör auf damit!«, befahl sie.
»Nein, ich höre nicht auf!«, erwiderte er wütend. »Weil es die Wahrheit ist! Als Jeremy und Camille gemerkt haben, dass du nicht kamst, haben sie sich allein auf den Heimweg gemacht. Erinnerst du dich, was dann passiert ist?«
»Du bist wirklich ungerecht …«
»Camille lag zwei Tage im Koma, weil sie von einem Taxi angefahren wurde!« Bebend vor Zorn, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. »Und als du ins Krankenhaus gekommen bist, hast du nach Alkohol gestunken. Es ist ein Wunder, dass Camille nichts zurückbehalten hat. Durch dein Verschulden wäre sie fast gestorben, das verzeihe ich dir nie!«
Nikki erhob sich abrupt.
Dieses Gespräch musste ein Ende
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