Sieben Pfoten für Penny - Jungs und andere Esel
zu.
»Ach, ja, du wolltest ja heute kommen.« Herr Sesch atmete tief durch und presste den Arm ins Kreuz. »Autsch … Ich habe wohl zu lange so dagestanden.«
Als Penny noch näher trat, bewegten sich auf einmal die Steine im Aquarium. Sofort schaltete Herr Sesch die Kamera wieder ein und presste sein Auge auf die weiche runde Einfassung des Suchers.
Der Oktopus schoss hoch, die Steine flogen nach allen Seiten. Die acht Arme zappelten wild, und es sah aus, als würde er damit über den Sand laufen. Einen halben Meter weiter ging der Sand in steinigeren dunkleren Boden über.
Der Oktopus passte die Farbe seines Körpers in Bruchteilen von Sekunden der neuen Umgebung an. Er bekam graue Flecken und war auf den Steinen kaum noch zu erkennen. Er setzte seinen Weg fort zu einem Teil des Aquariums, der in rötlichen Tönen gehalten war. Als hätte der Oktopus flüssige Farbe im Körper, begann unter seiner Haut sofort ein imposantes Farbenspiel. Die Töne und Schattierungen wechselten schnell hintereinander. Anschließend stieß er sich vom Boden ab und schwamm mit großer Geschwindigkeit zum anderen Ende des Aquariums. Dazu streckte er rhythmisch die acht Arme und verlieh so seinem Körper einen starken Rückstoß, der ihn wie einen kleinen Torpedo vorantrieb. Zwischen der hinteren Glaswand und dem künstlichen Riff entdeckte er einen schmalen Spalt, zwängte sich durch und war verschwunden.
Geräuschvoll sog Herr Sesch die Luft ein und richtete sich auf.
»Eigentlich sollte ich sauer sein, dass du so hereinplatzt«, begann er. Penny wollte sich schon entschuldigen und erklären, dass seine Frau es erlaubt hatte. »Aber ich bin dir dankbar, weil der Bursche endlich mal schnell hintereinander die Farben gewechselt hat. Darauf warte ich schon seit Wochen.«
Erleichtert, doch nichts falsch gemacht zu haben, atmete Penny auf.
Der Tierfilmer stieg von der Kiste und streckte den schmerzenden Rücken.
»Das hier sind Großaufnahmen, die ich für eine Meeresdokumentation mache. Der Film ist aber nicht von mir. Ich helfe nur einem Kollegen.« Er schob Penny auf den Vorhang zu. »Zurzeit mache ich ausschließlich solche Aufträge und nicht mehr wie früher meine eigenen großen Dokumentationen, mit denen wir sogar Preise gewonnen haben, Miriam und ich.«
Glücklich hörte sich das irgendwie nicht an.
Hintereinander schlüpften sie durch den Schlitz im Trennvorhang.
»Jetzt trinken wir eine Tasse Tee, und du erzählst mir genau, was du für dein Schulprojekt brauchst. Bin nicht sicher, ob ich helfen kann.«
Durch die Ritzen der Tür fielen dünne Lichtstrahlen, die Penny und Herrn Sesch zeigten, wohin sie gehen mussten. Auf einmal schnellte der Arm des Tierfilmers zur Seite und stoppte Penny, die knapp hinter ihm war. Sie wusste zuerst nicht, was los war, spürte aber, wie Herr Sesch steif dastand. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt.
»Keine Bewegung!«, zischte er warnend.
Noch immer verstand Penny den Grund nicht.
»Steh!« Der Befehl war scharf. Herr Sesch starrte auf einen Fleck am Boden. Penny folgt seinem Blick, und sofort war ihr klar, wieso der Tierfilmer so erschrocken war.
»Bleib einfach stehen.« Seine Stimme war jetzt ein Hauchen. »Einfach stehen, nur stehen.«
Das war einfach gesagt. Noch nie zuvor hatte Pennys Herz so rasend schnell geschlagen. Aus allen Poren trat ihr der Schweiß. Sie war überzeugt, dass ihre Angst zu riechen war.
Zusammengerollt lag direkt vor ihren Füßen eine Schlange. Ihr Körper war schwarz und sehr lang. Später erfuhr Penny, dass es sich um eine Schwarze Mamba gehandelt hatte. Die schwarze Mamba gilt als angriffslustigste Schlange überhaupt. Ihr Biss ist tödlich, wenn das Gegenserum nicht innerhalb einer Stunde verabreicht wird.
Wie war die Schlange aus dem Terrarium gekommen?
Der Abstand zwischen Pennys und Herrn Seschs Füßen und dem Schlangenkörper betrug weniger als einen Schritt. Hätte Herr Sesch nicht so abrupt gestoppt, wäre er bestimmt gebissen worden und Penny, die über ihn gestolpert wäre, wahrscheinlich auch. Und sie befanden sich noch immer in Lebensgefahr.
Penny spürte, wie Kurt Sesch zu zittern begann.
»Nicht«, flüsterte sie. »Ruhig. Ganz locker. Ganz locker.«
Der Tierfilmer schnappte keuchend nach Luft.
»Ruhig atmen. Ganz ruhig … « Es kostete Penny höllische Überwindung, überhaupt ein Wort zu sagen. Es sah aus, als hätte die Mamba sie – wie durch ein Wunder – noch nicht bemerkt. Zittern, heftiges Atmen und
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