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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die Hände zusammen, presste dabei die Ränder der Tasche aufeinander. Mit einem Klicken rastete der Verschluss ein.
    Die Tasche war zu!
    » Kyra! «
    Der Aufschrei der Geschwister ließ Kyra herumwirbeln.
    »Was –«, begann sie – und dann sah sie es auch schon.
    Etwas Silbernes, Funkelndes raste aus dem Dachstuhl herab, drehte einen Kreis über den Köpfen der Geschwister, beinahe zu schnell für das menschliche Auge, und stürzte sich dann auf Kyra.
    Sie handelte aus purem Instinkt. Riss die Kerze aus dem Hosenbund. Rammte sie in das offene Fischmaul.
    Gerade noch rechtzeitig.
    Die blitzenden Zahnreihen verbissen sich in dem Wachs. Die Kiefer der Kreatur schlossen und öffneten sich so schnell, dass Kyra nur noch eine verschwommene Bewegung wahrnahm. Wie ein fliegender Fleischwolf verschlang der Fisch die Kerze, schoss weiter auf Kyra zu, auf ihr Gesicht, ihre Augen – Und verharrte plötzlich mitten in der Luft.
    Seine Flügel flatterten langsamer. Der fleischige Leuchtfühler auf seiner Stirn vibrierte wie eine Schlangenzunge.
    Der Fisch riss das Maul auf – Zähne, so viele Zähne! –, und die Öffnung war jetzt groß genug, um Kyras Kopf mi t einem Biss zu verschlingen.
    Etwas schoss aus dem Maul auf sie zu, etwas Heißes, Weiches.
    Geschmolzenes Wachs klatschte auf Kyras Wangen. Voller Schrecken und Ekel zuckte sie zurück, stieß schmerzhaft gegen die Steinkante des Altars. Das Wachs war so flüssig, als käme es aus einem Hochofen – als würde im Inneren der Fischbestie ein verzehrendes Feuer toben. Höllenfeuer!
    Der Fisch schwebte noch immer in der Luft. Er taumelte.
    »Die Kerzen sind geweiht!«, schrie Nils unendlich weit entfernt. »Das ist es! Er verträgt sie nicht, weil sie geweiht sind!«
    Kyras Blick war wie hypnotisiert auf die glänzenden Fischaugen gerichtet, die kaum eine Handlänge vor ihrem Gesicht schwebten. Augen so tief und dunkel wie Moorlöcher. Augen voller Tücke und Niedertracht. Und voller Schmerz.
    Kyra überlegte nicht. Sie handelte.
    Sie ballte die Hand zur Faust, holte aus und schlug mit aller Kraft zu.
    Der Aufprall fühlte sich an, als hätte sie gegen einen Schwamm geboxt, vollgesogen mit Eiswasser. Es war das Widerlichste, das sie in ihrem ganzen Leben berührt hatte. Und es tat weh, brannte trotz der Kälte wie Feuer, ähnlich wie flüssiger Stickstoff, mit dem der Arzt seinem Patienten eine Warze wegbrennt.
    Der Fisch wurde zur Seite geprellt, flatterte einen Augenblick lang hilflos wie ein frisch geschlüpfter Vogel. Dann aber erholte er sich langsam. Das Schlagen seiner Flughäute wurde regelmäßiger und schneller. Erneut begannen seine Kiefer auf- und zuzuschnappen.
    Von hinten traf ihn ein Wasserschwall. Aus dem offenen Fischmaul kam ein Schrei wie von einem kleinen Kind, nur noch schriller, fast schmerzhaft in den Ohren.
    Eine zweite Wasserladung prasselte auf ihn herab. Dampf stieg auf, als die Tropfen hässliche Narben in den Silberleib des Fisches ätzten.
    »Weihwasser!«, schrie Lisa, die als Erste eine Hand voll Wasser gegen die Kreatur geschleudert hatte. Sie und Nils hatten das Taufbecken neben dem Eingang der Kirche geöffnet und mit beiden Händen geweihtes Wasser herausgeschöpft. Jetzt rannten sie erneut den Gang hinunter, tauchten ihre Hände tief in das Becken.
    Doch ein zweiter Angriff war unnötig.
    Der Fisch kreischte abermals, stabilisierte dann seinen Flug und schoss auf den Altar zu. Dabei hinterließ er eine Spur aus scharf riechendem Dampf, wie der Kondensstreifen eines Flugzeugs.
    Im letzten Moment bemerkte die Kreatur, dass die Handtasche auf dem Altar geschlossen war. Der Zugang zu ihrem Nest war versperrt. Keine Sicherheit. Kein Schutz.
    Das Kreischen der Bestie wurde ohrenbetäubend. Kyra taumelte die Stufen des Altars hinunter und lief zu ihren beiden Freunden, die ihr bereits entgegenkamen. Zwischen den Fingern der Geschwister tropfte Wasser zu Boden.
    »Wir müssen hier raus!«, brüllte Kyra.
    »Was ist mit der Gruft?«, fragte Nils aufgeregt. Die Schlappe, die sie dem Fisch beigebracht hatten, machte ihn wieder wagemutig.
    »Wir können da jetzt nicht runtergehen«, gab Kyra zurück. »Wer weiß, wo die anderen Fische stecken. Und ihre Besitzerinnen.«
    Ein gellendes Quietschen ertönte. Dann sagte eine Stimme: »Gute Frage.«
    Eine zweite Stimme meinte: »Berechtigte Frage.«
    Und eine dritte zischte: »Dumme Frage.«
    Die Kinder wirbelten herum, blickten zum Tor. Die hohen Holzflügel der Kirche waren weit geöffnet.
    Drei

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