Sieben Stunden im April
gearteten Sinnhaftigkeit vermittelt.
Patchwork. Ich könnte eine Patchwork-Decke zusammenfrickeln. Eine Art Quilt. Aber leider habe ich keine Nähmaschine und will mir auch keine zulegen. Nadel und Faden besitze ich schon. Und zwar in Form dieser kleinen Notpäckchen, die in Hotelzimmern rumliegen. Ansonsten bin ich seit Jahren Kundin verschiedener Reparaturschneidereien und kann mich kaum erinnern, wann ich den letzten Knopf angenäht habe. Oder gar, an was. Patchwork scheidet aus.
Fernstudium. Ich könnte ja irgendwas studieren. Philosophie zum Beispiel. Oder BWL. Erstgenanntes erinnert mich leider an das Jodel-Diplom à la Loriot. Zweites ist kaum vorstellbar, da ich nur mit Mühe in der Lage bin, meine Kontoauszüge nach Datum zu sortieren. Ein Fernstudium kommt also wegen einer Mischung aus Desinteresse, einem anzunehmenden Mangel an Disziplin und weitgehender Talentfreiheit auch nicht infrage.
Hund. Ich habe Angst vor Hunden. Gleichwohl hätte die Vorstellung, ich werde schwanzwedelnd durch den Tag geleitet, einen gewissen Reiz. Oder dass ich jemanden zum Reden hätte, der nie widerspricht. Weniger reizvoll ist, dass Hunde dazu neigen, undicht zu sein, und sich dieses nur durch regelmäßige Ausgänge beheben lässt. Auch früh morgens, auch im Winter, auch bei Regen. Und leider stehen gewisse Schwierigkeiten, das Haus zu verlassen, einem entspannten Verhältnis zwischen Mensch und Tier doch eher entgegen. Wie dem auch sei – Hund wäre toll. Wir arbeiten auch daran, doch leider lässt der Erfolg noch auf sich warten. Es soll nämlich ein Bullterrier werden. Ein kleines Welpen-Mädchen, am besten weiß mit schwarzem Auge. Und kein ausgewachsener polnischer Reimport mit unbekannter Vorgeschichte und kleinem Aggressionsproblem. Wenn wir unsere Hündin schon hätten, hieße sie Emma. Meinem Mann gefällt der Name Emma sehr. Ich bin ja eher für Heidi. Vorerst warte ich aber noch auf Genesung und auf unseren Traumwelpen und suche derweil weiter eine Beschäftigung.
Ich kann nicht tanzen, nicht singen, nicht malen. Handwerklich bin ich eher ungeschickt, Basteln geht mir auf die Nerven und Eulen oder Blumenampeln aus Makramee fand ich schonmit acht Jahren blöd. Stricken im Sommer macht auch keinen großen Spaß. Allmählich wird es also wirklich kompliziert.
Japanisch. Ich werde Japanisch lernen. Nicht, dass ich in nennenswertem Maß sprachbegabt wäre, aber Japanisch interessierte mich immer schon. Keine Zeit, irgendwann mal. Irgendwann ist jetzt.
Wochen später:
Ich spreche leidlich gut Englisch, besitze, ergaunert durch ein knappes Ausreichend, das kleine Latinum und kann mich grob, sehr grob, aber immerhin, auf Italienisch verständigen. Das aber nur, wenn möglichst keiner zuhört. Ich bin also sicher kein Genie, aber auch nicht völlig unterbelichtet. Daher meine ich mit Fug und Recht behaupten zu können: Japanisch ist wohlklingend, die Schrift äußerst ästhetisch. Und Japanisch ist die bösartigste Sprache, die je erdacht worden ist. Diese Sprache hat ihre helle Freude daran, Menschen mit Zeichen zu quälen, die sich ein normales Hirn einfach nicht merken kann. Zeichen und Krickel und Krakel, die sich jedem Einprägungsversuch standhaft widersetzen. Sinnfreie Zeichen, die sich ähneln wie eineiige Zwillinge und angeblich trotzdem völlig unterschiedliche Dinge bedeuten. Man sollte jedes Zeichen tausendmal schreiben, um es abspeichern zu können. Tausendmal? Dass ich nicht lache! Da hänge ich doch noch zwei Nullen dran und es reicht immer noch nicht. Und auch wenn ich mir einige mit Mühe merken kann – von einer korrekten Aussprache oder Grundkenntnissen der Grammatik bin ich noch meilenweit entfernt.
Ich blicke auf mein Übungsheft, sehe die sauber aufgemalten Symbole, fühle mich an die angestrengten Schreibversuche einer Erstklässlerin erinnert. So nach dem Motto: »Der Berg scheint ganz nah, aber das Pferd läuft sich zu Tode.« Japanisches Sprichwort. Oder ist es ein chinesisches? Auch egal. Ichwerde auf jeden Fall darüber nachdenken müssen, ob eine kleine Emma nicht doch die bessere Alternative wäre. Zu einem toten Pferd zum Beispiel.
Intermezzo III: Die Abrechnung
Der Tag, an dem ich mein altes Leben verloren habe, jährte sich zum ersten Mal. Ich habe im Dom eine Kerze angezündet. Ein Dank für 365 Tage des Überlebens. Ansonsten war es ein ganz normaler Tag. So verdächtig normal und so täuschend ungefährlich, dass ich am darauffolgenden einen Brief an den geschrieben habe,
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