Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman
als eine Reihe von üblen Streichen hatte ihm das Leben gespielt. Personalabbau hatte seiner Karriere ein jähes Ende bereitet. Ein einfacher Brief war ins Haus geflattert, in dem man ihm mitteilte, dass er nicht mehr zu der großen Firma gehörte, die seine ganze Existenz gewesen war.
Mit achtundfünfzig Jahren ist man noch sehr jung … doch selbst wenn die Kosmetikfirmen schworen, dass mit knapp sechzig das Leben noch vor einem liege – sofern man in sein Äußeres investiere –, waren ihre eigenen Personalabteilungen nur wenig davon überzeugt, wenn es um die Neubewertung des Karriereplans ihrer leitenden Angestellten ging. Und so war Julius Minsky plötzlich arbeitslos geworden. Ein Sicherheitsbeamter hatte ihm am Eingang des Gebäudes, in dem er mehr Zeit verbracht hatte als in seinem eigenen Haus, seinen Firmenausweis abgenommen. Ohne ein einziges Wort an ihn zu richten, hatte der Mann in Uniform ihn in sein Büro begleitet. Unter den stummen Blicken seiner Kollegen hatte er seine Sachen einpacken müssen. Nichts als einen kleinen Karton unterm Arm hatte Julius an einem finsteren Regentag nach zweiunddreißig Jahren treuer Mitarbeit das Firmengebäude für immer verlassen müssen.
Obwohl Julius Minsky Statistiker und begeisterter Mathematiker war, unterlag sein eigenes Leben einer höchst unbefriedigenden Gleichung: Summierung von Wochenenden, die auf Kosten des Privatlebens über Akten verbracht wurden, Teilung der Macht, zugunsten jener, die ihn angestellt hatten (man war stolz, für sie zu arbeiten, man bildete eine große Familie, in der jeder seine Rolle zu spielen hatte, wenn er seine Stellung halten wollte), Häufungen von Demütigungen und nicht beachteten Vorschlägen, die von einigen korrupten Vorgesetzten einfach ignoriert wurden; und schließlich die Absprache, seine Berufslaufbahn in Würde zu beenden. So reduzierte sich das Leben von Julius Minsky auf eine Folge haarsträubender Ungerechtigkeiten, deren Lösung so unmöglich war wie die Quadratur des Kreises. Um die Einsamkeit zu vertreiben, die seine Nächte heimsuchte, hatte er sich oft das Leben der jungen Führungskraft vorgestellt, die sein Leben zunichte gemacht und für schrottreif erklärt hatte. Seine Kreditkarten waren im Herbst abgelaufen, sein Bankkonto hatte den Winter nicht überlebt, im Frühjahr hatte er sein Haus verlassen müssen. Im folgenden Sommer hatte er eine große Liebe geopfert, um seinen Stolz bei dieser letzten Reise retten zu können. Ohne sich dessen bewusst zu werden, hatte also dieser Julius Minsky, achtundfünfzig Jahre, seinen nicht festen Wohnsitz unter dem Brückenbogen Nr. 7 am Pier 80 des Handelshafens von San Francisco bezogen. Er würde dort bald sein zehntes Jubiläum im Freien feiern können. Gern erzählte er jedem, der es hören wollte, dass er sich am Tag seines großen Aufbruchs wirklich über nichts im Klaren gewesen sei.
Zofia bemerkte die nässende Wunde, die durch den Riss in seiner Glencheckhose zu erkennen war.
»Julius, Sie müssen Ihr Bein behandeln lassen!«
»Ach, fang bitte nicht wieder davon an. Meinem Bein geht es sehr gut!«
»Wenn diese Wunde nicht ausgewaschen und desinfiziert wird, ist sie innerhalb einer Woche brandig, das wissen Sie ganz genau.«
»Ich habe schon den schlimmsten aller Wundbrände überstanden, meine Schöne – da kann mir dieser hier nichts anhaben! Nachdem ich Gott nun schon so lange anflehe, mich zu sich zu nehmen, muss ich ihn auch gewähren lassen. Wenn ich mich bei jeder Kleinigkeit behandeln lasse, was nützt mein Flehen, endlich von dieser verdammten Erde verschwinden zu dürfen! Du siehst also, dieses Wehwehchen ist mein Ticket ins Jenseits.«
»Wer setzt Ihnen nur solche dummen Flausen in den Kopf?«
»Niemand. Aber hier kommt oft ein junger Kerl vorbei, der gleicher Meinung ist. Ich unterhalte mich gern mit ihm. Wenn ich ihn sehe, ist mir so, als schaute ich in meine eigene Vergangenheit. Er trägt die gleiche Art Anzug, wie ich sie früher trug, bevor mein Schneider, als er die gähnende Leere meiner Taschen entdeckte, von Schwindel erfasst wurde. Ich verkünde ihm Gottes Wort, er mir das des Teufels, ein kleiner Meinungsaustausch, der mich zerstreut.«
Kein Dach überm Kopf, nichts Essbares, nur die Gitterstäbe, die man zu durchsägen träumt … Die Situation von Julius Minsky war schlimmer als die eines Gefangenen. Wer ums nackte Überleben kämpft, für den kann Träumen zum Luxus werden. Tagsüber muss man Nahrungsmittel auf der
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