Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman
weitere Feuerwehrwagen entgegen, die zum Ort des Unglücks fuhren. Sie parkte den Ford, überquerte den Parkplatz und betrat die Klinik. Eine Krankenschwester kam ihr entgegen und erklärte ihr, Mathilde befinde sich noch im Untersuchungsraum. Zofia dankte der jungen Frau und nahm auf einer der leeren Bänke des Wartezimmers Platz.
*
Lukas hupte zweimal ungeduldig. Der Aufseher in seinem Häuschen drückte auf einen Knopf, ohne den Blick von dem kleinen Bildschirm zu lösen: Die Yankees lagen sicher in Führung. Die Schranke ging hoch, und der Chevrolet fuhr, die Scheinwerfer ausgeschaltet, langsam zum Rand des Piers. Lukas öffnete das Seitenfenster und warf seinen Zigarettenstummel hinaus. Er stellte den Schalthebel auf Leerlauf und stieg bei laufendem Motor aus dem Wagen. Mit einem Fußtritt gegen die hintere Stoßstange brachte er den Wagen ins Rollen, sodass er vornüber ins Wasser kippte. Die Hände in die Hüften gestemmt, betrachtete er begeistert das Schauspiel. Als die letzte Luftblase geplatzt war, wandte er sich ab und ging auf den Parkplatz zu. Ein olivgrüner Honda schien nur auf ihn zu warten. Lukas brach das Schloss auf, öffnete das Verdeck und riss den Auslöser der Alarmanlage heraus. Er setzte sich ans Steuer und betrachtete missmutig das Armaturenbrett aus Kunststoff. Er wählte den Schlüssel, der ihm geeignet erschien aus seinem Bund. Der Motor sprang sofort mit einem schrillen Geräusch an.
»Ein grüner Japaner – nicht zu fassen«, knurrte er und löste die Handbremse.
Lukas sah auf seine Uhr; er war bereits spät dran und trat kräftig aufs Gaspedal. Auf einem Poller zum Vertäuen der Leinen saß ein Stadtstreicher Namens Julius und sah dem Wagen nach, während eine letzte Luftblase an der Wasseroberfläche platzte.
»Wird sie durchkommen?«
Schon zum dritten Mal an diesem Abend ließ Lukas sie zusammenzucken.
»Ich hoffe«, antwortete sie und musterte ihn von oben bis unten. »Wer sind Sie eigentlich?«
»Lukas. Untröstlich und erfreut zugleich«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
Zum ersten Mal verspürte Zofia eine gewisse Erschöpfung. Sie stand auf und ging zum Kaffeeautomaten.
»Wollen Sie auch einen?«
»Ich trinke nie Kaffee«, erwiderte Lukas.
»Ich auch nicht«, sagte Zofia und betrachtete die Zwanzig-Cent-Münze, die sie in ihrer Hand drehte. »Was machen Sie hier?«
»Dasselbe wie Sie«, entgegnete Lukas. »Ich bin hier, um zu erfahren, wie es ihr geht.«
»Warum?«, fragte Zofia und steckte die Münze wieder in die Tasche.
»Weil ich einen Bericht schreiben muss und bislang in die Rubrik mit der Anzahl der Opfer die Zahl Eins eingetragen habe. Ich wollte also überprüfen, ob ich diese Information korrigieren muss oder nicht, da ich meine Berichte gern noch am Tag des Ereignisses vorlege. Ich habe einen heiligen Abscheu vor Verspätungen.«
»Den Eindruck habe ich auch.«
»Sie hätten meine Einladung zum Abendessen annehmen sollen. Dann wären wir jetzt nicht hier!«
»Gut, dass Sie vorhin von Takt gesprochen haben; Sie scheinen was davon zu verstehen.«
»Sie wird erst spät heute Nacht den Operationstrakt verlassen können. So eine Entengabel in einem menschlichen Schenkel richtet verdammte Schäden an. Die brauchen Stunden, um das alles zu nähen. Darf ich Sie in die Cafeteria gegenüber einladen?«
»Nein, das dürfen Sie ganz bestimmt nicht!«
»Wie Sie wollen, dann warten wir eben hier. Ist zwar weniger angenehm, aber wenn Sie es vorziehen … Schade!«
Sie saßen bereits über eine Stunde Rücken an Rücken auf den Bänken, als endlich der Chirurg am Ende des Gangs erschien. Er ließ seine Latexhandschuhe nicht schnalzen (seit je zogen die Chirurgen sie beim Verlassen des Operationstrakts aus und warfen sie in einen dafür vorgesehenen Mülleimer). Mathilde war außer Gefahr, die Arterie war nicht getroffen worden. Der Scanner hatte keine Spur von Schädelverletzung ergeben. Die Wirbelsäule war intakt.
Mathilde hatte zwei einfache Brüche, einen am Bein, einen am Arm. Beide wurden eben eingegipst. Komplikationen waren immer noch möglich, der Arzt war aber zuversichtlich. Trotzdem bestand er darauf, dass sie in den nächsten Stunden völlige Ruhe hatte. Er bat Zofia, den Angehörigen mitzuteilen, dass heute kein Besuch mehr erlaubt sei.
»Das ist schnell erledigt«, erwiderte sie. »Es gibt nur mich.«
Sie gab der Stationsschwester ihre Handynummer. Beim Hinausgehen kam sie an Lukas vorbei, informierte ihn, ohne ihn eines Blickes
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