Sieben Tage: Thriller (German Edition)
unter Druck und Anspannung steht. Ich könnte spekulieren und behaupten, es habe daran gelegen, dass er sich mit dieser E-Mail aktiv ins Licht der Öffentlichkeit rückte, aber nicht alles so lief wie geplant. Vielleicht lag es an den Fehlschüssen, oder er ist knapp einer Entdeckung entgangen. Das wäre eine nähere Untersuchung wert. War ein Eilbote in der Nähe der Tatorte? Hat jemand zur Tatzeit eine rote Ampel überfahren? Oder hat die anfängliche Motivation des Täters nachgelassen, kamen ihm Zweifel an der moralischen Berechtigung seiner Taten? Offenbar kann er durchaus zwischen richtig und falsch unterscheiden – die Bibelverse sind der Beweis –, aber auf jemanden zu schießen ist eine traumatische Erfahrung. Damit will ich sagen, dass er psychisch nicht ganz stabil ist. Aber hochmotiviert – man muss schon sehr stark an seine Sache glauben, um ein Fahrzeug zu präparieren und eine Waffe auszurüsten, sich auf die Lauer zu legen und auf einen Polizisten zu schießen. Und diese Kombination macht ihn gefährlich. Das Dilemma ist: Je mehr Polizisten er anschießt, desto weniger hat er zu verlieren. Mbali, Sie haben mich heute Morgen gebeten, das Kaliber und die Fehlschüsse in meine Überlegungen mit einzubeziehen …«
»Ja, bitte«, sagte Mbali.
»Ausgehend von dem kleinen Kaliber, dem Fehlschuss und dem Stress, der aus der E-Mail spricht, würde ich sagen, dass der Täter keine militärische Spezialausbildung hat. Bekanntermaßen haben im Apartheid-Regime alle Männer Wehrdienst geleistet, aber dieser hier hat vermutlich in einer Versorgungseinheit gedient und besitzt keine Kampferfahrung.«
»Danke«, sagte Mbali, während sie sich Notizen machte.
»Hauptsache, es hilft Ihnen weiter«, sagte die Psychologin. »Ich hatte aber versprochen, auch noch etwas über das Zeitschemazu sagen. Die Schlussfolgerung, er sei ein Büroangestellter mit einem Job von neun bis fünf, liegt natürlich nahe. Zugleich kann das bedeuten, dass er bei der Arbeit von Kollegen umgeben ist, also nicht allein in einem Büro sitzt, dessen Tür er schließen kann. Angesichts eines Profils als Einzelgänger vermute ich, dass er im Job nicht sehr beliebt ist und höchstens einen mittleren Posten bekleidet, wahrscheinlich aber eher einen auf einer niedrigen Ebene. Für einen Mann seines Alters und seiner intellektuellen Fähigkeiten muss das frustrierend und beleidigend sein. Möglicherweise liegt teilweise darin seine Motivation. Durch sein Auftreten versucht er, seine Selbstachtung zurückzugewinnen.
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wir wissen, dass es bei einem nach siebzehn Uhr verübten Verbrechen viel weniger zuverlässige Augenzeugenberichte gibt als bei einer früher am Tag begangenen Tat. Die Leute sind müde, wollen schnell nach Hause, wollen nicht in irgendetwas hineingezogen werden. Die Frage ist: Weiß Salomo das?«
»Was wollen Sie damit andeuten?«
»Sie wissen, das ist alles Spekulation, Mbali, aber es könnte bedeuten, dass dieser Mann Ahnung von Ermittlungstechniken hat. Er könnte für die Polizei gearbeitet haben oder selbst Polizist gewesen sein. Dazu passt die Tatsache, dass er speziell auf Polizisten schießt. Es könnte sein, dass er einen alten Groll hegt. Angesichts des kleinen Kalibers und seiner mangelhaften Treffsicherheit ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Polizist ist, nicht sehr hoch, aber man kann nie wissen. Ich würde mir mal Verwaltungsangestellte oder Reservisten genauer ansehen, die unehrenhaft entlassen wurden, Leute, die wegen ihres Fehlverhaltens festgenommen oder überprüft wurden.«
»Während des letzten Jahres?«
»Während der letzten zehn Jahre.«
Kolonel Werner du Preez vom Staatsschutz seufzte vernehmlich.
»Tut mir leid, aber so sieht es nun mal aus«, sagte die Rechtspsychologin. »Wenn er einen Groll hegt, könnte es Jahre gedauert haben, bis er an den Punkt gelangte, an dem er jetzt ist.«
»Ilse, hier spricht Musad Manie. Der Attentäter hat heuteNachmittag Kaptein Bennie Griessel persönlich angerufen, um an seine E-Mail-Adresse zu kommen.«
»Um welche Uhrzeit, Brigadier?«, fragte Kaptein Brody.
Manie sah Griessel an. »Etwa um halb vier«, antwortete er. »Er war irgendwo in der Stadt.«
»Interessant. Hat er schon etwas geschickt?«
»Nein, noch nicht.«
»Meine Frage lautet«, fuhr Manie fort, »ob wir mit Hilfe von Bennie versuchen sollten, einen Dialog mit ihm aufzubauen?«
Ilse Brody schwieg eine ganze Weile, bevor sie antwortete. »Schwer zu
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