Sieben Tage: Thriller (German Edition)
sagen, Brigadier. Es gelten die üblichen Vernehmungsregeln. Wir wollen, dass er die meiste Zeit redet, deswegen müssen Ihre Aussagen sehr knapp und kryptisch ausfallen – fast wie bei Verhandlungen mit Geiselnehmern: Man wiederholt ständig, was er sagt, um ihn aus der Reserve zu locken. Doch in diesem Fall verbirgt er sich sicher hinter seiner Anonymität und hat Zeit, alles reiflich zu überlegen, bevor er eine E-Mail beantwortet.«
»Sie würden es also nicht empfehlen?«
»Wir begeben uns damit auf dünnes Eis. Vielleicht zu dünn.«
»Ilse, hier ist Werner du Preez vom CATS. Unsere Suche nach dem Kia ist bisher ergebnislos verlaufen. Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass es sich um eines der drei Fahrzeuge handelt, die in den letzten Monaten gestohlen wurden und bisher noch nicht wieder aufgetaucht sind.«
»Bei allem Respekt, Kolonel, aber das würde mich sehr wundern. Büroangestellte mittleren Alters stehlen in der Regel keine Autos. Sie wüssten nicht einmal, wie das geht.«
»Bei dem Gewehr handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls um eine gestohlene Waffe«, wandte Mbali ein. »Wir haben fast alle legalen Besitzer dieses Modells überprüft.«
»Lassen Sie mich einen Moment nachdenken«, sagte Ilse Brody. Im Raum herrschte Stille, während alle auf ihre Reaktion warteten. Dann sagte sie: »Wie wir alle wissen, ist nichts unmöglich. Aber es passt nicht ins Bild. Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass er irgendwie mit der Polizei zu tun hat. Vielleicht stammt die Waffe aus Lagerbeständen? Und derLieferwagen wurde beschlagnahmt? Genauer kann ich es nicht sagen.«
»Wie wird er reagieren, wenn wir eine Fahrzeugbeschreibung an die Medien herausgeben?«, fragte de Preez.
»Weiß er, dass wir von dem Kia wissen?«
»Er kann es sich denken.«
»Ich würde es nicht empfehlen. Er würde einfach nur das Fahrzeug wechseln, und außerdem würde dann die Bevölkerung Jagd auf jeden Kia machen.«
»Genau das ist unsere Befürchtung. Außerdem könnten wir damit Trittbrettfahrer auf den Plan rufen.«
»Ich glaube nicht, dass Trittbrettfahrer in diesem Fall eine große Gefahr darstellen. Wie Sie wissen, Kolonel, sind die eher im Bereich der Wirtschaftskriminalität anzutreffen.«
»Können Sie uns einen Rat geben, Ilse?«, fragte Manie.
»Der Schlüssel liegt in der E-Mail vom siebenundzwanzigsten Februar, Brigadier. Der Anschlag von gestern hat ihn zum Mörder gemacht. Er steht unter Druck, und ich glaube, Druck kann er schlecht aushalten. Wenn er sich das nächste Mal meldet, wird er seine Tat rechtfertigen und weitere Bibelverse zitieren, wahrscheinlich wieder aus Kohelet, ›eine Zeit, um zu töten‹ und ›eine Zeit für den Krieg‹. Er wird die Schuld auf alle anderen schieben, nur nicht auf sich selbst, mit dem Tenor: ›Die Polizei hat mich dazu getrieben.‹ Unsere Botschaft an die Medien muss konsequent lauten: Der Täter ist psychisch instabil, er ist ein Extremist und ein Mörder. Wir müssen fortfahren, seine moralischen Begründungen zu entkräften und seine Messias-Masche anzugreifen. Damit erhöhen wir den Druck auf ihn, so dass er weitere Fehler begeht. Das ist unsere einzige Möglichkeit, ihn zu fassen.«
Nach dem Meeting kehrte Griessel in sein Büro zurück und rief Cupido an.
»Wie sieht’s aus, Vaughn?«
»Bin fast fertig, Benna, aber es ist wie mit den drei Affen: nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Eine einzige glückliche Anwaltsfamilie an einem paradiesischen Arbeitsplatz.«
So kannte man das. Griessel erzählte Cupido von seinem kurzen Telefonat mit dem Attentäter und der Theorie der Profilerin, es handle sich bei ihm um einen Außenseiter, auch beruflich. »Er hat Sloet gekannt, Vaughn, und er kennt Pruis. Ich vermute immer mehr, dass er sich irgendwo in einer Ecke bei Silbersteins rumdrückt. Frag nach, ob man dort so einen kennt, Ende vierzig, Einzelgänger. Ein Leisetreter, mürrisch, schweigsam und hinterhältig, mit einer überheblichen Haltung.«
»Das sind Anwälte, Benna, die halten sich alle für was Besseres. Aber ich verstehe, was du meinst. Ich höre mich um.«
»Ich würde gerne um achtzehn Uhr ein SOKO-Meeting ansetzen. Schaffst du das?«
»Sagen wir Viertel nach sechs, dann bin ich da.«
Griessel rief Alexa an. Sie meldete sich sofort und klang ein wenig gehetzt. »Sag bloß nicht, du bist schon unterwegs!«
»Nein«, sagte er, »warum?«
»Verrat ich nicht!«, neckte sie ihn. »Rufst du mich an, bevor du
Weitere Kostenlose Bücher