Sieben
mehr nach Frankreich zurückkehren, obwohl
die letzten Lebensjahre im »Paradies« von Krankheit, Geldmangel, Gesetzeskonflikten, Morphinismus und buchstäblich fieberhafter
Arbeit geprägt waren. Es gehört zur Tragik dieses nur 54 Jahre währenden Lebens, dass Paul Gauguin am 8. Mai 1903 just in jenem Moment starb, da man auf dem alten Kontinent seine kunsthistorische Bedeutung für die Moderne zu begreifen
begann.
In einer endlos scheinenden Sequenz weltschöpferischer Liebesakte entstehen hier nach und nach »die Erde«, »der Zorn«, »der
Sturm« und »der Frieden«, bis Gauguins tahitianische Scheherazade schließlich zu jener Stelle kommt:
Die Götter teilten sich in Atuas und Oromatuas. Die höheren Atuas sind alle Söhne und Enkel des Taaroa. Sie wohnen in den
Himmeln – es gibt deren sieben.
Voilà! Knapp sechstausend Jahre und einen halben Erdball von den vermuteten mesopotamischen Ursprüngen entfernt, nicht minder
fernab jeglichen islamischen Einflusses taucht in den Erzählungen eines tahitianischen Mädchens unversehens das Bild von den
»sieben Himmeln« auf – jener altbabylonischen Vorstellung also, die in allen Kulturen, in die sie Eingang fand, stets eine
Fülle weiterer allegorischer Siebenbezüge nach sich zog. Man darf also gespannt sein, wie Tehuras Geschichte weitergeht, nachdem
darin endlich auch die ersten Menschen den pazifischen Kosmos bevölkern:
Lange irrten sie auf den Inseln umher, ohne ihn zu finden. Endlich jedoch entdeckten sie auf Bora-Bora den jungen Gott, der
mit Vairaümati im Schatten eines heiligen Mangobaumes ruhte. Sie waren voll Staunen über die Schönheit des jungen Weibes und
wollten ihm als Zeichen ihrer Bewunderung einige Geschenke darbieten. Also verwandelte Orot’fa sich in eine Sau und Ouretefa
in rote Federn. In derselben Nacht warf die Sau sieben Junge.
Schließen wir mit diesem nicht allzu überraschenden Resultat einstweilen Paul Gauguins Bericht und wenden uns zunächst ein
paar tausend Seemeilen weiter westwärts, wo dieneuseeländischen Anverwandten der tahitianischen Maoris einander bis heute eine vergleichbare Weltentstehungsgeschichte erzählen.
Hier heißen die Ureltern nicht Taaroa und Ohina, sondern Rangi (= Vater Himmel) und Papa (= Mutter Erde).
Auch in Neuseeland entstehen aus der innigen Umarmung der Ureltern eine Reihe von Kindern – allesamt Söhne, die es in der
schwülen Enge dieses Urzustandes verständlicherweise nicht aushalten und deswegen alles daransetzen, die Ureltern Erde und
Himmel auf auskömmliche Distanz zu bringen. Die restliche Schöpfung spielt sich zwischen Gottheiten, Halbgöttern und Menschen
ähnlich dramatisch ab wie in Polynesien. Allein die Sieben taucht im neuseeländischen Ursprungsmythos nirgends auf. Wie Zahlen
hier auch sonst nicht die mindeste Rolle spielen.
Dabei ist die maorische Vorstellung von einem Urzeugungsakt anthropomorpher Ureltern nur eine von vielen pazifischen Ursprungsmythen. In der ein paar tausend Seemeilen nordwärts von Tahiti gelegenen mikronesischen Inselwelt etwa glauben die Ureinwohner an die lebensstiftende Existenz einer gigantischen Urspinne namens Areob Eñab:
Einsam schwamm sie im endlosen Ozean des Weltraums, bis sie auf eine riesige Muschel traf. Areob Eñab öffnete die Muschel
und kroch hinein, um das Innere zu erkunden. Da stieß sie auf eine riesige Schnecke und kurz darauf auf eine zweite, noch
größere Schnecke. Da es nun eng in der Muschel wurde, bat Areob Eñab die Schnecken, gemeinsam mit ihr die obere Schale der
Muschel anzuheben. Kaum war dies ein Stück weit gelungen, verwandelte sich die kleinere Schnecke in den Mond. Im fahlen Licht
sah Areob Eñab nun auch einen riesigen Wurm. Ihn forderte Areob Eñab auf, das Dach noch weiter anzuheben: Und siehe da: Der
Wurm hob das Dach so weit empor, dass daraus der Himmel wurde.
Der Rest ist rasch erzählt: Der salzige Schweiß, den der Wurm bei seiner gewaltigen Anstrengung vergießt, wird zum Meer und
breitet sich auf der unteren Muschelhälfte aus, dieso zur Erde wird. Am Ende steigt auch die größere Schnecke zum Himmel auf und verwandelt sich dort in die Sonne.
Auch in den Weltentstehungsmythen der australischen Aborigines spielen tierische Vorfahren eine Hauptrolle:
In ferner Zeit, als die Erde im Schlaf lag und die Tiere unter der Erdkruste ruhten, erwachte eines Tages die Regenbogenschlange
und kroch an die Erdoberfläche. Dort sah sie nur trockenes Land.
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