Siebenmeter fuer die Liebe
Kraft ins Tor katapultiere. Stattdessen rolle ich die Bälle nach dem Einsammeln ordentlich zu Florian Hoffmann, der sie wieder in zwei Ballnetze verstaut. Dabei würde ich jetzt so gerne einfach lostoben. »Neunzehn, zwanzig. Das sind alle, danke, Paula. Und bis nächste Woche.«
Jetzt wäre die Gelegenheit. Ich will wieder spielen. »Herr Hoffmann? Kann ich Ihnen …«
»Ist Florian Hoffmann noch drin?«, höre ich draußen eine Stimme fragen.
»Ja, Moment«, ruft FH und sieht mich gespannt an, »was wolltest du mir sagen?«
»Da sind Sie ja!« Fassungslos sehe ich den nervigsten aller Rothaarigen seinen Kopf durch die Hallentür stecken. »Hallo, ach, da ist ja auch das Landei, Herr Hoffmann, können wir gleich noch mal über das Training sprechen?«
»Julius, sofort, wenn ich hier fertig bin. Also, Paula?«
|122| Beide starren mich jetzt an.
»Schon gut, hat Zeit bis nächste Woche, war nicht so wichtig. Tschüss.«
Ich fliehe in den Umkleideraum und überlege, welcher Typ mich in meinem Leben nur annähernd so genervt hat wie dieser bescheuerte Julius. Keiner! Überhaupt niemand. Der Affe ist weit führend in der Liste.
Die anderen sind bereits fertig, ich bin allein in der Umkleidekabine und fühle mich ziemlich einsam. Mir fehlen Ellen, Jana, Ann-Kathrin und die anderen aus meiner Mannschaft. Mir fehlt das Training, die Spiele, ich will mal wieder richtig Tore werfen, es ist alles so schwierig. Beim Taschepacken fehlt mein Sweatshirt, ich muss es auf der Bank liegen gelassen haben, genauso wie den Eisbeutel, der aus Florian Hoffmanns Erste-Hilfe-Koffer stammt. Also gehe ich zurück, der Eisbeutel liegt auf dem Kasten, mein Sweatshirt unter der Bank.
Beim Bücken sehe ich den Ball. Entweder hat Herr Hoffmann sich verzählt oder der gehört nicht der Schule. Langsam fummele ich ihn raus, stelle mich gerade hin, prelle ein paar Mal im Stehen und fixiere dann das leere Tor. Ich bin ganz allein in der Halle, niemand bekommt irgendwas mit, höchstens der Hausmeister, der bestimmt gleich abschließen kommt. Vorsichtshalber drehe ich mich zur Kabinentür, nichts.
Und dann laufe ich langsam los, prelle dabei, laufe die Seitenlinie entlang, meine Schritte werden länger, |123| schneller, der Ball tippt nur ganz leicht an die Hand, Neunmeter, Siebenmeter, Kreis, Absprung, ich treffe den Pfosten, der Ball schießt zurück, ich fange ihn im Lauf, wende schnell, renne aufs andere Tor zu, wieder beschleunigen, wieder das Tor im Blick, diesmal springe ich am Neunmeter ab, ich habe genug Tempo, komme sehr hoch, ziehe den Arm durch, treffe oben links in die Ecke, hole den Ball raus, wende wieder, laufe im Zickzack, den Ball sicher vor mir, wieder den Blick aufs Tor, steige hoch, ziele unten rechts, schwierige Ecke, das Tornetz zappelt, ja!
Applaus! Jemand klatscht laut in die Hände. Erst langsam, dann schneller. Einer, der auf der Tribüne sitzt, zu der ich natürlich nicht hochgeguckt habe. Wir hatten in Mackelstedt keine. Auf der Tribüne sitzt Florian Hoffmann.
Und ich versinke im Hallenboden.
»Paula, bleib da, ich komme runter und dann unterhalten wir uns mal von Handballer zu Handballer.«
Wir hocken seit einer halben Stunde nebeneinander auf der Bank und ich erzähle ihm alles. Der Umzug, der TuS Mackelstedt, das Versprechen, nicht anzugeben und nett zu sein, die Belohnung in Malente, das Aufnahmeformular aus dem Verein hier und die Angst, dass alle anderen sauer sind, weil ich sie angelogen habe. Als ich alles gesagt habe, ist es mir plötzlich peinlich. Ich sitze neben dem weltbesten Handballtrainer und quatsche ihm ein Ohr ab.
|124| »Mann, Mann, da hast du dich aber in was reinmanövriert.« Lächelnd schüttelt er den Kopf. »Wir müssen uns was ausdenken. Ich denke doch nicht daran, auf so eine gute Spielerin zu verzichten, nur weil sie nett sein will. Ich sage dir jetzt was im Vertrauen. Ich will diese Handball-AG bis Dezember so fit machen, dass wir uns zum Hamburger Schulturnier der Handballteams anmelden können. In den Herbstferien machen wir eine Woche Intensivtraining, freiwillig natürlich, da brauche ich dich unbedingt als Spielmacherin. Bis dahin wissen auch die anderen, was sie an dir haben, die Erklärung denke ich mir noch aus.«
»In den Herbstferien?«
»Ja, es geht nur da, weil wir dann die ganze Woche die Halle benutzen können.«
Das Anmeldeformular für Malente liegt noch unausgefüllt auf meinem Schreibtisch. Das nächste Leistungscamp ist Ostern. Mein Kopf schwirrt,
Weitere Kostenlose Bücher