Siebenpfahl (German Edition)
keine Angst zu haben!«
Nachdem er Irmel mit dem Zeigefinger einen Nasenstüber gegeben
hatte, setzte er sie wieder auf dem Boden ab und streichelte ihr flüchtig über den
Kopf.
Irmel stapfte zu ihrer Mutter und schmiegte sich an ihr Bein.
»Mama, ich habe heute Nacht geträumt, die Sonne käme nie mehr.«
Margret lächelte. »Schau, jetzt ist sie wieder da.« Sie nahm Irmel
auf den Arm. Dann ging sie mit ihr hinaus.
André schmunzelte währenddessen zufrieden vor sich hin und
zwinkerte Tom schelmisch zu. Irmel war also doch reinzulegen.
Als Margret zurückkam, begann sie das Morgenmahl vorzubereiten. Dem
Proviantschrank zugewandt, rief sie über die Schulter: »Conrad ist früh
weggegangen. Er wollte nochmal den Burgvogt wegen anstehender Botengänge befragen.
Ich hoffe, dass sich alles innerhalb der Stadtmauern abspielen wird ... naja,
falls überhaupt etwas daraus werden sollte.«
Sie hatte die Worte kaum gesprochen, als Conrad zur Tür hereinkam.
»Guten Morgen!«, grüßte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann wandte er
sich lächelnd den Freunden zu. »Ich habe eine gute Nachricht! Der Burgvogt möchte
euch als Boten und hat auch schon den ersten Auftrag für euch.«
»Toll!«, freute sich Christopher und bedachte Marcel mit einem
kurzen Seitenblick. Marcel nickte und zog die Augenbrauen hoch, denn auch er
freute sich, endlich etwas unternehmen zu können.
»Was ist das für ein Auftrag?«, fragte Margret und sah ihren Mann abwartend
an. Sein Zögern brachte sie in Wallung. »Conrad, ich glaube es nicht! Die Jungs
müssen außerhalb der Stadtmauern Botengänge verrichten … ist es so?«
Conrad rollte die Augen. »Sie sollen bei Siebenpfahl eine Kiste
abholen und diese zur Burg Rodenstein bringen. Als Lohn erhalten sie einen
Silberling, was eine Menge ist.« Er wusste, dass nun ein kleines Gewitter folgen
würde.
»WAAAS, zur Burg Rodenstein?«, rief Margret entsetzt und stampfte
mit dem rechten Fuß auf den Boden. »Conrad, das sind Kinder, die kann man doch
nicht alleine durch die Landschaft schicken!« Man merkte ihr an, wie aufgebracht
sie war.
»Naja, Kinder würde ich jetzt nicht gerade sagen«, mischte sich André
ein und bedachte Margret mit einem vorwurfsvollen Blick.
»Wir machen das«, beschloss Marcel. Er konnte nicht so recht
nachvollziehen, warum Margret nun so ein Theater veranstaltete. Sie waren sechs
Jungen und würden gemeinsam einen Botengang machen. Was war schon dabei?
Margret konnte die Zusage der Jungen nur schwerlich akzeptieren. Mit
einer abrupten Körperdrehung widmete sie sich wieder der Zubereitung des Frühstücks
und schmollte vor sich hin.
Conrad grinste den Jungen zu und machte eine Geste, die ausdrücken
sollte, dass nun dicke Luft herrschte.
*
» M ich würde interessieren, was sich darin befindet«, sprach
Johann, als er mit der Kiste zurückkam und sie auf dem Boden abstellte.
Krummhold fiel plötzlich ein, dass er Johann das Pulver noch nicht
verabreicht hatte. Er bereitete den Tee zu und setzte sich zu Johann an den
Tisch. Nachdem sie sich kurze Zeit unterhalten hatten, begann Krummhold in einem
Buch zu lesen, während Johann sitzend einschlief.
Am späten Nachmittag klopfte es an die Tür. Krummhold, der
eingedöst war, stand auf und öffnete. Als er die sechs Jungen erblickte, die
ihm schon am Vortag auf dem Markt aufgefallen waren, stand ihm die Überraschung
ins Gesicht geschrieben. Er schaute sie der Reihe nach an und ließ seinen Blick
eine Weile auf Marcel ruhen. »Was wollt ihr?«, fragte er mürrisch.
»Wir sind die Boten und sollen die Kiste abholen«, antwortete Pascal.
»Ihr?«, gab Krummhold ungläubig zurück. »Seit wann werden Kinder
für derlei Botengänge eingesetzt?«
Die Freunde sahen sich kurz an, dann zeigte ihm Christopher die
Beglaubigung, die ihnen der Burgvogt ausgestellt hatte.
Krummhold blickte auf das Siegel, dann befahl er Johann die Kiste und
die Landkarte zu holen und richtete seinen Blick wieder auf Marcel.
»Was ist?«, fragte Marcel und zuckte die Achseln.
»Du kommst mir irgendwie bekannt vor! Wo kommt ihr eigentlich her?«
Marcel wusste nicht, was er antworten sollte, und war froh, dass genau
in diesem Moment Johann mit der Kiste und der Schriftrolle auftauchte. Christopher
nahm die Kiste und reichte sie Leon weiter. Dann erhielt er die Schriftrolle, auf
der eine Landschaftsskizze zu sehen war.
Krummhold erklärte den Freunden, wie sie anhand der Skizze den Weg
zur Burg Rodenstein finden
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