Siebenpfahl (German Edition)
immer wieder Äste ins Gesicht. Manchmal verspürte
er ein Brennen auf der Haut, doch das war ihm egal … seine Angst verdrängte den
Schmerz.
Zu seiner Rechten galoppierten die beiden Reiter am Waldrand
entlang, und er vermutete, dass sie sich hinter dem Wald postieren würden, um
ihm dort aufzulauern.
Die, die ihm durch den Wald folgten, würden nur langsam
vorankommen, langsamer als er, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn
stellen würden.
Es sah schlecht für ihn aus, denn nach vorne würde es kein
Durchkommen geben und von hinten näherte sich der Feind.
Stück für Stück durchkämmten die Reiter den Wald. Ihre Silhouetten
wirkten gespenstisch im Nebel, der an manchen Stellen von dicken Sonnenstrahlen
durchbrochen wurde.
Nachdem Eberhard etwa ein Drittel des Waldes durchquert hatte, blickte
er angespannt zurück, doch von seinen Verfolgern war nichts zu sehen. Nur manchmal
hörte er in einiger Entfernung Äste knacken.
Sein Vorteil war zweifelsohne, dass er um die Anwesenheit seiner
Verfolger wusste, sie aber seine nur vermuten konnten. Doch schon bald würde
seine Galgenfrist abgelaufen sein!
Er lief weiter. Nicht mehr so schnell wie eben noch, sondern langsam
– sich aufmerksam umschauend. Nach etwa zehn Minuten sah er die Lichtung. Da
vorne würde der Wald zu Ende sein, und die beiden Reiter, die dort vermutlich auf
ihn warteten, würden ihn einfach in Empfang nehmen können. Er sah sich weiter nach
einem Unterschlupf um. Umgestürzte Bäume lagen herum, manche kreuz und quer
übereinander. Der Nebel und das gedämpfte Sonnenlicht ließen sie wie Gespensterburgen
erscheinen.
Und plötzlich hörte er sie – ganz deutlich. Die Hufe der Pferde. Sie
waren ganz nah. Nicht mehr lange … und sie hätten ihn eingeholt. Gehetzt
schaute er sich um, als er einen frisch umgestürzten Baum erblickte. Der Baum
war nicht ganz umgefallen, da er sich zwischen zwei anderen Bäumen verfangen
hatte. Die Baumwurzel ragte aus dem Boden und Eberhard rannte schnell dorthin, um
den Hohlraum darunter zu begutachten. Erleichtert stellte er fest, dass der
Platz darunter ausreichen würde, um sich verstecken zu können. Schnell sammelte
er etwas Laub zusammen und legte es vor dem Loch ab, dann kroch er rückwärts
hinein und verwischte seine Spuren. Das Laub verteilte er sorgfältig vor dem
Loch, dann kroch er zurück in sein Versteck und schob von innen losen Dreck vor
die Öffnung. Bis auf einen kleinen Luftschlitz hatte er sich nun komplett eingegraben
und man würde ihn von außen nicht mehr sehen können – so dachte er zumindest.
Plötzlich fuhr er zusammen. Ein Pferd trat vor sein Versteck und blieb
direkt davor stehen. Es schnaubte und stieß mit dem Vorderhuf auf. »Da vorne
kommt die Lichtung«, hörte er eine Stimme rufen. »Vielleicht ist er ja schon
über alle Berge und wir vergeuden hier nur unsere Zeit!«
Eberhards ganzer Körper spannte sich unter der Last der Angst. Er
konnte sich ausrechnen, was sie mit ihm anstellen würden, sollten sie ihn
entdecken.
»Du hast Recht!«, rief eine andere Stimme. »Reiten wir nach
Lindenfels und bewachen die Wege zur Stadt.«
Das Pferd setzte sich wieder in Bewegung …
*
I n Lindenfels tat sich derweil einiges. Vom Wagner angeführt, hatte
sich eine Gruppe von Leuten vor der Amtsstube des Burgvogtes versammelt. Es waren
etwa dreißig Bürger, die wild durcheinander riefen.
Wenn man auch nicht jedes Wort verstehen konnte, so war ihr
Ansinnen doch klar; sie forderten die Festnahme der Jungen, die der Ketzerei angeklagt
und bis dahin ins Gefängnis gesperrt werden sollten.
»Ich dachte, wir hätten das Thema geklärt?«, sprach der Vogt, worauf
lautes Gemurmel entstand.
»Das dachten wir auch!«, entgegnete der Wagner, nachdem wieder etwas
Ruhe eingekehrt war. »Aber wie erklärt Ihr Euch, dass ein todkranker Junge
plötzlich wieder gesund ist, so als ob nichts gewesen wäre?«
Der Vogt schüttelte den Kopf. »Caspar hatte Fieber, was nicht
heißen muss, dass er todkrank war! Redet also nicht so daher! Und ganz gesund
ist er auch noch nicht.«
Die Backenmuskeln des Wagners zuckten. Er konnte seinen Zorn nur
schwerlich verbergen. »Einer der Jungen hatte ein Mittel aus seinem Bündel
hervorgeholt, dessen schnelle Wirkung selbst dem Doktor ein Rätsel ist!«, sagte
er schließlich mit gezwungen ruhiger Stimme.
»Wenn man einem kranken Jungen hilft, so steckt man also mit dem
Teufel im Bunde? Was redest du da für ein Zeug?«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher