Siebenschön
lachte sie. »Nichts davon geht dich irgendwas an.«
»Antworte mir trotzdem, okay?« Er holte tief Luft. »Gibt es in deinem Bekanntenkreis jemand Neuen?«
»Herrgott, ich lerne ständig neue Leute kennen.«
»Schön für dich. Und hast du mit einem von denen auch über mich gesprochen?«
»Nein«, versetzte sie unsentimental. »Warum sollte ich?«
Ihre Antwort schmerzte, auch wenn ihm klar war, dass sie schon lange so dachte. »Dann ist es ja gut.«
»Sander …«
»Was?«
»Worauf willst du hinaus?«
Er sah aus dem Fenster und kam sich mit einem Mal völlig bescheuert vor. »Ach, ich weiß selbst nicht genau. Auf nichts Bestimmtes. Es ist nur so, dass die Polizei zu glauben scheint … Sie denken, dass der Täter in irgendeiner Weise mit mir zu tun hat.« Und selbst das ist noch maßlos untertrieben, ergänzte er in Gedanken.
»Das finde ich, ehrlich gesagt, nicht verwunderlich«, erklärte seine Exfrau. »Du hattest mit Hunderten von Tätern zu tun, die nicht ganz richtig waren.«
»Schon«, räumte er ein. »Bloß, dass die meisten von denen nicht hingehen und vier Menschen umbringen.«
»Vier?« Ihre Stimme war auf einmal schrill. »Aber du hast doch eben gesagt, dass zwei Patienten von dir …«
»Zwei aktuelle Patienten. Eine ehemalige Patientin. Und eine Kollegin«, entschied er sich, die Karten auf den Tisch zu legen.
Aus ihrem Schweigen sprach ein bodenloser Schrecken. Dann ein leises: »Oh mein Gott … Sprechen wir etwa von diesen schrecklichen Morden, von denen im Fernsehen die Rede ist?«
Er brauchte gar nichts zu sagen. Sie kannte die Antwort auch so. Also wählte er den bequemen Weg und schwieg.
»Verdammt noch mal, Sander, ich habe es dir immer gesagt«, sagte sie nach einer Weile, und trotz ihrer Wut glaubte er, ein unterdrücktes Schluchzen zu hören.
Er fragte nicht, was sie meinte. Sie kannten einander zu lange und zu gut, und sie hatten zu viel gestritten, als dass es noch etwas zu fragen gegeben hätte. Nicht, was diese Dinge betraf …
»Es tut mir leid«, sagte er aufrichtig.
Doch sie antwortete nicht.
»Dana«, startete er einen neuen Anlauf. »Wenn es irgendwas gibt, wie ich dir …«
»Sander!«, fiel sie ihm in scharfem Ton ins Wort.
»Ja?«
»Tu mir einen Gefallen …«
Er stand auf. Aus einem Grund, der nicht bis in sein Bewusstsein drang, konnte er nicht länger sitzen bleiben. »Welchen?«
»Ruf mich nicht mehr an. Hörst du? Nie wieder!«
Er hörte ein Knacken in der Leitung. Dann ein enervierendes Tuten.
Seine Exfrau hatte aufgelegt.
8
Raya Hosseini war eine aparte junge Frau mit schwarzen Mandelaugen und verwegenen braunen Locken, die sie wenig erfolgreich mit Gel zu bändigen versucht hatte. Obwohl sie noch studierte, war sie teuer und exquisit gekleidet. Ein buntes Desigual-Oberteil zu Roberto-Cavalli-Jeans. Dazu eine Lederjacke mit Nieten, die sie ein bisschen wie eine Rockerbraut aussehen ließ.
Ihr müsste eigentlich kalt sein, dachte Em.
Doch Raya Hosseini machte nicht den Eindruck, als ob sie fror.
»Sie wissen, warum Sie hier sind?«
»Mir wurde gesagt, dass es um Frau Dickinson geht.«
Frau Dickinson, resümierte Em. Nicht Jenny … Obwohl Raya sie unter Garantie so genannt hat, damals. Als Kind. »Das ist korrekt.« Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. »Sie wissen, dass Frau Dickinson ermordet wurde?«
»Nein. … Das heißt, ja. Ihr Kollege sagte es mir. Und natürlich hatte ich auch in der Zeitung davon gelesen. Ich wusste bloß nicht …«
… dass sie es war, ergänzte Em in Gedanken. Genau wie Westen.
»Sie kannten Jenny Dickinson von früher, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und war Ihnen auch bekannt, dass sie seit einiger Zeit wieder hier in der Stadt lebte?«
Zögern. Dann: »Ja.«
»Woher, wenn ich fragen darf?«
»Ich wusste immer, wo sie war.«
»Wieso?«
»Ich wollte sie im Auge behalten.«
»Weil Sie sie für gefährlich hielten?«
Raya Hosseini lachte. »Nein. Weil ich wissen wollte, wie sich ihr Leben entwickelt.«
»Sie meinen nach dem Mord an Ihrer Schwester?«
Ems Angriff hebelte sie für einige Sekunden komplett aus. »Woher wissen Sie davon?«, fragte sie, als sie sich wieder ein bisschen gefangen hatte.
»Der Unfall wurde polizeilich untersucht«, entgegnete Em. »Ich habe mir die Akte angesehen.«
»In der Akte steht nichts von Mord«, widersprach Raya Hosseini.
»Richtig.«
»Also?« Ihr Blick wurde herausfordernd. »Woher wissen Sie, dass Frau Dickinson meine Schwester getötet
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