Siebenschön
Decker lachte. »Na, gar nicht. Wenn ich meinem Therapeuten Glauben schenken darf, ist diese Frau sogar der Grund dafür, dass man mich eines nicht allzu fernen Tages dienstunfähig schreiben wird.«
»Alex ist beständig auf der Suche nach Entschuldigungen für seine grenzenlose Faulheit«, frotzelte Em, während sich ihr Verstand noch immer verzweifelt um einen Ausweg aus dem Dilemma bemühte.
»Autsch«, sagte Tom.
»Sehen Sie, was ich meine?«, klagte Decker mit Mitleid heischendem Blick. »Da ist es doch kein Wunder, wenn man’s mit der Psyche kriegt, oder?«
Tom zuckte freundlich die Achseln.
»Aber was führt einen von euch Rauschgift-Jungs in die Niederungen des kapitalen Verbrechens?«
Verdammt!, dachte Em. Ganz falsche Frage!
»Na ja, eigentlich wollte ich kurz zu eurem Boss«, antwortete Tom. Und mit einem Augenzwinkern in Ems Richtung setzte er hinzu: »Ich schätze, ich hab da was mit ihm zu besprechen.«
»Ja?« Decker sah zu Makarovs Büro hinüber, dessen Tür auch jetzt offen stand. »Tja, er wollte gerade mit Ems neuer Partnerin runter in die Personalabteilung, und ich glaube nicht, dass sie schon zurück sind.«
Em versuchte noch, den Kopf wegzudrehen, aber sie war nicht schnell genug. Und so traf der Anblick des Schmerzes in den Augen ihres alten Freundes sie mit voller Wucht.
»Em hat eine neue Partnerin?« Tom schaffte es tatsächlich, seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen.
»Na, und was für eine!«, knurrte Decker, ohne zu merken, welche Katastrophe er gerade lostrat. »Aber ich sag’s ja immer: Die, die’s am wenigsten verdienen, haben den größten Dusel.«
Em hatte von jetzt auf gleich das Gefühl, dass ihr Kopf keinenTropfen Blut mehr enthielt. Ihr Gehirn fühlte sich an wie betäubt. Und sie wünschte sich einfach nur fort. Irgendwohin, wo die Probleme dieses Tages sie nicht mehr erreichen konnten. Wo sie Ruhe hatte. Und Frieden.
»Na, dann herzlichen Glückwunsch.« Tom schluckte und streckte ihr tapfer die Hand entgegen. »Auf eine gute Zusammenarbeit.«
»Hör zu, ich …«, setzte Em an, doch ihr alter Ausbildungskamerad brachte sie mit einem leisen Kopfschütteln zum Schweigen.
Sie nickte, auch wenn es ihr förmlich das Herz zerriss.
»Hey, Sie haben Glück, da ist er ja!«, rief im selben Augenblick Decker und meinte Makarov, der soeben mit Mai Zhou im Schlepptau durch die Tür zum Gang trat.
Die erfahrenen Wieselaugen des Abteilungsleiters entdeckten Tom sofort, und Em sah, dass ihr Boss die Situation und ihre Brisanz augenblicklich erfasst hatte. Mit eiligen Schritten kam er auf ihren Schreibtisch zu, wobei es ihm ziemlich egal zu sein schien, ob Mai Zhou ihm folgen konnte.
Em bemerkte die Irritation in den Augen ihrer neuen Partnerin. Und auch ihre Skepsis, als sie zögerlich näher kam.
»Ahrens, wie gut, dass Sie da sind!«, ergriff Makarov derweil ohne viel Federlesens die Initiative, indem er sich Toms Hand schnappte und sie kräftig schüttelte. »Ich hätte Sie heute sowieso noch angerufen.«
Tom war so verdutzt, dass er die überfallartige Begrüßung kommentarlos über sich ergehen ließ.
»Aber seien Sie doch bitte so gut und kommen mit in mein Büro, ja?«, sprudelte Makarov einfach weiter. »Da können wir alles Weitere in Ruhe besprechen. Und Sie«, er sah Em an, »zeigen Frau Zhou bitte einstweilen die Abteilung und das ganze Drum und Dran.«
Er wartete nicht auf eine Reaktion seiner Beamtin, sondern drehte sich auf dem Absatz um und zog den noch immer völlig verdatterten Tom mit sich fort.
Einen Moment lang spielte Em mit dem Gedanken, den beiden zu folgen. Aber Toms Reaktion von eben hielt sie davon ab. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn Makarov zunächst allein mit ihm sprach. Vermutlich hätte Tom ihr im Augenblick sowieso nicht zugehört.
Sie ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen und vergrub entnervt das Gesicht in den Händen. »Scheiße, Scheiße, Scheiße …«
Als sie einen Blick auf sich gerichtet fühlte, wandte sie den Kopf und blickte geradewegs in Mai Zhous unergründliches Gesicht. Wartete diese blöde Kuh etwa tatsächlich darauf, dass sie jetzt den Fremdenführer für sie spielte? Sie musste doch merken, dass hier etwas ganz und gar nicht nach Plan lief, oder?
Em stand auf und strich sich mit ein paar energischen Bewegungen die völlig zerzausten Locken aus dem Gesicht. »Okay«, sagte sie. »Die Sache ist ganz einfach: Ihr Schreibtisch steht da drüben«, sie zeigte auf ein schmuckloses graues
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