Siebenschön
sichergestellt.«
»Also haben wir in Lina Wöllners Fall die Tatwaffe«, resümierte Capelli.
»Ja, zweifelsfrei«, bestätigte Dr. Bechstein. »Allerdings weist Ihre Tote auch noch ein paar andere Verletzungen auf.«
»Ach ja?« Zhou war erstaunt. Von den Schädelverletzungen einmal abgesehen, wirkte Lina Wöllner im Gegensatz zu Jenny Dickinson geradezu heil. »Welche denn?«
Dr. Bechstein schlenderte langsam um den Tisch herum, bis sie wieder neben Capelli stand. »Ihr Mörder hat ihr kurz vor ihrem Tod die Schulter ausgekugelt. Und wir haben Spuren von Fixierungen an ihren Hand- und Fußgelenken gefunden.«
»Ihr Mann hat sie am Abend des 4. November vermisst gemeldet«, erklärte Zhou. »Das bedeutet, dass der Täter sie vermutlich etwa achtundvierzig Stunden in seiner Gewalt hatte.«
»Er sucht sich Orte, an denen er ungestört ist«, pflichtete Capelli ihr bei. »Ein verlassenes Lagerhaus. Eine Scheune. Ein Hochsitz. Alles ruhige, abgelegene Orte, an denen niemand die Schreie seiner Opfer hört.«
»Über das Fesseln und die genannte Schulterverletzung hinaus wurde Lina Wöllner übrigens nicht gequält«, kam Dr. Bechstein Zhous nächster Frage zuvor. »Im Gegensatz zu Jenny Dickinson … Aber er hat nachweislich keine der beiden vergewaltigt.«
»Was sagt das toxikologische Gutachten?«, wollte Capelli wissen.
»Lina Wöllner war clean, falls es das ist, was Sie interessiert. Und auch sonst haben wir bei ihr keinerlei Auffälligkeiten gefunden. Aber dafür …« Die Pathologin machte eine wohlbedachte Pause. »Dafür ist die Substanz, die sie an sich hatte, umso interessanter.«
»Was meinen Sie mit an sich ?«, fragte Zhou.
»An ihrer Kleidung. Auf ihrem Gesicht. An ihren Händen.« Dr. Bechstein trat an einen in der Wand fixierten Stahltisch und hielt den beiden Ermittlerinnen eines der zahlreichen Fotos unter die Nase, die die Kriminaltechniker am Tatort gemacht hatten. Die Aufnahme zeigte Lina Wöllners vollständig bekleideten Körper in einem Berg aus verrottetem Heu. Im Gesicht und auf dem Pullover der Toten waren großflächige braune Verfärbungen zu erkennen.
»Ach, du Scheiße«, entfuhr es Capelli. »Was ist das denn?«
»Rübenkraut«, erklärte Dr. Bechstein mit einem hintergründigen Lächeln. »Oder auch Zuckerrübensirup, falls Ihnen das geläufiger ist. Lina Wöllners Leiche war von oben bis unten damit eingeschmiert.«
»Zuckerrübensirup«, wiederholte Zhou ungläubig.
Dr. Bechstein nickte. »Man benutzt das Zeug zum Süßen vonSpeisen. Und manche Leute schmieren es auch aufs Brot, zum Frühstück. Wobei ich zugeben muss, dass es gar nicht so übel schmeckt.«
»Apropos«, sagte Capelli. »Haben Sie inzwischen auch die Substanz aus der Kühltruhe identifizieren können?«
»Ja, haben wir.«
»Und?«
»Das ist auch ganz interessant …« Sie legte das Foto auf den Tisch zurück und wandte sich um. »Es handelt sich dabei um gemahlene Farnblätter.«
Zhou runzelte die Stirn. »Farn?«
»Ja, Farn. Oder botanisch ausgedrückt: Filicinophyta .«
»Das ist jetzt vielleicht ’ne ziemlich bescheuerte Frage«, sagte Capelli, »aber kann man Farnblätter essen?«
»Sie meinen analog zum Rübenkraut?« Die Pathologin schmunzelte. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Und medizinisch?« Capelli ließ nicht locker. »Gibt es vielleicht irgendeine Arznei, die Farn oder Farnextrakt enthält?«
»Ich muss gestehen, da bin ich im Moment überfragt«, räumte Dr. Bechstein ein. »Soweit mir bekannt ist, nicht. Aber natürlich bin ich keine Pharmakologin.«
»Was ist mit Alois Berneck?«, fragte Zhou mit Blick auf den zweiten Sektionstisch. »Haben Sie bei ihm etwas Ähnliches gefunden?«
Dr. Bechstein verneinte. »Zumindest nichts, was einem sofort ins Auge gesprungen wäre«, fügte sie einschränkend hinzu. »Seine Kleidung ist natürlich noch im Labor …«
Also abwarten, dachte Zhou.
»Rübenkraut und Farn«, murmelte Capelli, während sie den beiden anderen Frauen zu dem zweiten Sektionstisch folgte. »Was für ein kranker Mist ist das denn?«
»Das männliche Opfer starb durch eine Ladung Schrot, die aus nächster Nähe abgefeuert wurde«, erklärte Dr. Bechstein, während sie nun auch den zweiten Toten entblößte. »Und zwar in seinen Rücken, während er kniete.«
»Hoch oben auf einem verlassenen Hochsitz«, schloss Capelli grimmig.
»Hoch oben auf einem verlassenen Hochsitz«, nickte Dr. Bechstein. »Die Leiche hatte etwas auf dem Kopf, eine Art Basecap, das irgendwie
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