Sieg der Herzen
saß am offen stehenden Stalltor auf. »Sag deinem Papa trotzdem danke.«
Der Junge blickte verwirrt und vielleicht ein wenig gekränkt drein. Dann blitzte es in einer Art und Weise in seinen blauen Augen auf, die Jack an jemanden erinnerte, an jemanden, den er vor langer Zeit zurückgelassen hatte. Nach all diesen Jahren war der Verlust immer noch schmerzlich für ihn. »Nun denn, Mister, es ist Ihr Schaden, wenn sie nicht gesellig sein wollen.«
Jack tippte an seine Hutkrempe, duckte sich leicht und ritt aus dem Stall.
Olivia war für die Versammlung des Stadtrats gekleidet, als Mr McLaughlin an diesem Abend von der Arbeit zurückkehrte und verfroren, hungrig und müde wirkte. Sofort hatte sie Mitgefühl mit ihm; wie automatisch tastete sie mit der Hand zu ihrem sorgfältig frisierten Haar, als lege sie größten Wert darauf, dass ihr Äußeres ansprechend war.
»Ein gebratenes Huhn steht zum Warmhalten im Backofen«, sagte sie in geschäftsmäßigem Tonfall, damit er nicht etwa auf den Gedanken kam, sie hätte auf ihn gewartet. »Kartoffelpüree und Soße ebenfalls und etwas Gemüsemais. Der Warmwasserbehälter ist gefüllt, und der Badezuber steht in der Abstellkammer. Es wird vermutlich leichter für Sie sein, in der Küche zu baden - ich kann mir vorstellen, dass Sie zu müde sind, um Eimer für Eimer nach oben zu tragen.« Seine Kleidung, Hände und Gesicht waren schwarz von Schmutz. Er stellte den leeren Topf, in dem das Mittagessen gewesen war, auf das Abtropfbrett, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Ich soll in Ihrer Küche baden?«, fragte er ungläubig.
Sie spürte, wie die Hitze wieder in ihre Wangen stieg. Seit sie Jack McLaughlin kennen gelernt hatte, war sie öfter errötet als in ihrem ganzen Leben. »Ich werde außer Hauses sein, bei der Sitzung des Stadtrats. Sie sollten genügend Zeit haben, um zu essen, zu baden und sich salonfähig zu machen.«
Ein breites Grinsen mit weißen Zähnen huschte über sein geschwärztes Gesicht. »Und was ist, wenn man Sie rauswirft, statt Sie anzuhören? Diese Typen bei der RatsVersammlung, meine ich. Soweit ich weiß, lässt man Frauen im Territorium Montana nicht wählen. Das bedeutet, dass man Sie vermutlich dort nicht willkommen heißt.«
Olivia richtete sich steif auf und blickte ihn von oben herab an, was nicht leicht war, weil er beträchtlich größer war als sie. »Ich mache dort keinen gesellschaftlichen Besuch«, sagte sie. »Ich gehe zu dieser Versammlung, um denen die Meinung zu sagen.«
Er seufzte, zog behutsam seinen Mantel aus und hängte ihn zu seinem Hut an den Haken. »Vielleicht sollte ich Sie besser begleiten«, sagte er. Nun grinste er nicht mehr.
»Damit sie glauben, mich so eingeschüchtert zu haben, dass ich einen Mann zur Unterstützung mitbringe, weil ich ihnen nicht selbst die Stirn bieten kann? Um nichts in der Welt, Mr McLaughlin.« Sie füllte eine Schüssel mit Wasser und reichte sie ihm, damit er vor dem Essen Gesicht und Hände waschen konnte.
»Sie haben schon zu Abend gegessen?«, fragte er.
»Ich habe alle Nährstoffe, die ich brauchte, aus gerechter Empörung gewonnen«, sagte sie hochmütig.
»Nach meiner Erfahrung ist das eine miese Kost«, bemerkte er.
»Gute Nacht, Mr McLaughlin«, sagte sie. »Zweifellos werden Sie schon schlafen, wenn ich heimkomme.«
Er seufzte und begann sich einzuseifen und zu waschen. »Zweifellos«, pflichtete er ihr bei.
Es widerstrebte ihr zu gehen, und das ärgerte sie. Sie war voll angestauter Wut gewesen, bevor er vorgeschlagen hatte, sie zu begleiten. Entschlossen nahm sie ihren Alltagsmantel vom Haken, legte ihn sich um die Schultern und ging zur Tür. Es hatte keinen Sinn herumzutrödeln. Sie hatte eine Mission zu erfüllen.
Fünf Minuten später stand sie vor dem Hintereingang dieses verabscheuungswürdigen Sündenpfuhls namens Brimstone Saloon. Lampenschein fiel aus den Fenstern, und sie konnte Pianogeklimper aus dem Innern hören, gemischt mit rauem Männergelächter und dem Klicken und Klacken von Billardkugeln.
Es kam ihr besonders kalt vor, draußen auf dieser Straße, und für einen kurzen Moment spielte Olivia mit dem Gedanken, heimzukehren und Mr McLaughlin doch noch zu bitten, sie zu begleiten. Das Einzige, was sie davon abhielt, war die entfernte Möglichkeit, dass er sich entschlossen hatte, vor dem Abendessen zu baden; in diesem Fall würde er jetzt splitternackt in ihrer Küche sein.
Außerdem waren ihre Hühner auf sie angewiesen.
Sie hob entschlossen ihr
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