Sieg der Leidenschaft
hast du dich lange genug ausgeruht.«
»Wie lange? Taylor ... Und Brent ...«
»Nun, du hast etwa anderthalb Tage geschlafen. Brent arbeitet schon wieder.«
»Aber er war bewusstlos ...«
»Nicht lange. Kurz nachdem Morgan euch aufgespürt hatte, war ich auch zur Stelle. Brent kam gerade zu sich. Nur um dich mussten wir uns sorgen.«
»Und Taylor? Er stahl ein Pferd, ritt ins Feuer ...«
»Und du bist ihm nachgerannt. Weil ein brennender Ast herabstürzte und dich verletzte, kehrte Taylor um und brachte dich in Sicherheit.«
Tia schloss die Augen, glaubte wieder die Flammen zu sehen, die qualvolle Hitze zu spüren. Und sein eindringlicher Blick im Feuerschein ... Sie hätte ihm nicht folgen dürfen. Warum hatte sie's getan?
Weil er in die Flammenhölle zurückgeritten war. Als hätte er den Verstand verloren ...
»Nachdem er mich zurückgebracht hat ...« Sie zögerte und schaute Mary an. »Was haben die Rebellen mit ihm gemacht?«
»Sie nahmen ihn gefangen. Was anderes blieb ihnen gar nicht übrig. Wahrscheinlich wird er mit ein paar anderen Unionssoldaten nach Andersonville gebracht. Jetzt sitzt er in einem Farmhaus fest. Brent wird später mehr herausfinden.«
»Geht es - Taylor gut?«
»Das hat man Brent versichert. Die Soldaten, die Taylor bewachen, behandeln ihn sehr respektvoll. Immerhin hat er viele verletzte Konföderationssoldaten aus dem Feuer geholt. Wenn Brent heute Abend zurückkommt, wird er sicher mehr wissen. Natürlich willst du Taylor sehen. Das kann mein Mann bestimmt demnächst arrangieren.«
»Wo sind wir, Mary?«
»Im Haus meines Vaters. Zwei Jahre lang war ich nicht hier. Nun habe ich endlich meine wundervolle Zofe wiedergesehen. Wir sind zusammen aufgewachsen und sie ist nur zwei Jahre älter als ich. Wenn ich in der Dachkammer Schulunterricht hatte, nahm sie stets daran teil. Das hatte mein Vater damals so beschlossen. Nach seinem Tod hielt ich es in diesem Haus nicht mehr aus. Aber sie schrieb mir regelmäßig, sie würde alles in Ordnung halten. Nun bin ich wieder hier - und es ist ein beglückendes Gefühl, heimzukommen. Aber ...«
»Aber?«
»Wir sind nicht allzu weit von den Konföderationslinien entfernt, die sich ständig verlagern. Und die Nachbarn erzählen, es sei völlig gleichgültig, welche Soldaten über sie herfallen. Die Rebellen sind genauso hungrig wie die Yankees.«
»Wie nahe liegt die Front?«
»Manchmal hört man Schüsse«, erwiderte Mary
leise.
»O Gott, dann sterben die Soldaten ganz in unserer Nähe! Wir müssten Brent helfen.«
»Heute Abend kommt er zurück. Er hat mir eingeschärft, du dürftest das Haus auf gar keinen Fall verlassen.«
»Großartig! Jetzt schreibt mir also Brent vor, was ich tun muss.«
»Er will einfach nur, dass du am Leben bleibst. Und du musst erst einmal gesund werden.«
»Und er? Stundenlang war er bewusstlos. Und er arbeitet schon wieder!«
Lächelnd schüttelte Mary den Kopf. »Du scheinst was zu vergessen - das ist Brents Lazarett.«
»Da hast du Recht.« Aber dieses Argument schien Tia nicht zu überzeugen.
»Bald werden wir ihm wieder zur Hand gehen.« Mary erschauerte. »Gestern Abend stand ich Höllenqualen aus, als ich den Wald brennen sah und euch beide nicht erreichen konnte - und wartete und betete ... Dieses lange Warten ist am schlimmsten in diesem Krieg.«
Das fand auch Tia. Nun musste sie sich ebenfalls gedulden, in wachsender Angst. Sie sehnte sich nach Taylor - wollte ihn nicht sehen - und verstand sich selber nicht.
Da Taylor von den Rebellen gut behandelt wurde, war seine Gefangenschaft erträglich. Er hörte sogar, sein alter Freund und Lehrer, Master Robert E. Lee, habe von seiner Festnahme erfahren und den Konföderationssoldaten befohlen, dem Colonel respektvoll zu begegnen.
Nun saß er zusammen mit anderen Yankee-Offizieren in einem alten Farmhaus an der Straße nach Richmond und wartete auf seinen Transport in ein Kriegsgefangenenlager. Offenbar stand das Haus schon seit einiger Zeit leer - oder es hatte gelegentlich dem einen oder anderen Heer als Hauptquartier gedient. In diesen vier Wänden herrschte eine seltsame Atmosphäre öder Leere. Wenn eine Brise durch die Fenster hereinwehte, vollführten die einst weißen Vorhänge einen geisterhaften grauen Tanz. Auf dem kostbar gemeißelten Kaminsims lag fingerdick der Staub.
Angeblich sollten die Gefangenen nach Andersonville gebracht werden - was einem Todesurteil gleichkam. Wegen ständiger Überfüllung breiteten sich ansteckende
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