Sieg der Leidenschaft
die anderen davon ab, Jemmy.«
»Aber Miss T...«
»Jemmy, um Himmels willen, tun Sie, was ich sage!«, flehte Tia. »Legt alle die Waffen nieder!«
»Verdammt, Jemmy«, schrie jemand in der Hütte, »ich halte gar keine Waffe in der Hand! Ich muss alle Finger auf Stuarts Wunde drücken, damit er nicht verblutet!«
Vielleicht war das eine Lüge, vielleicht auch nicht. Jedenfalls schien der Yankee sofort seinem Instinkt zu folgen.
Er ging an Tia vorbei und betrat die Hütte, die Colts im Gürtel, das Spencer-Gewehr locker in der linken Hand. Trotzdem bezweifelte sie nicht, dass er notfalls innerhalb einer Sekunde schießen würde. In wachsender Angst folgte sie ihm.
Der achtzehnjährige Trey McCormack hatte nicht gelogen. Gebückt stand er neben seinem Freund Stuart Adair, der auf einer Werkbank lag, eine Schusswunde in der Wade. Hadley Blake, der zweite Verletzte, hatte die Besinnung verloren. Den Kopf auf einer zusammengerollten Satteldecke, lag er in einer Ecke des dunklen Raums. Gilly Shenley, der dritte Unverletzte, suchte gerade einen geeigneten Stock für eine Aderpresse, mit der er Stuarts gefährliche Blutung stoppen wollte.
»Geht zur Seite, Jungs, lasst mich mal sehen«, befahl der Yankee. Alle erstarrten und blinzelten verwirrt. »Macht Platz!«, fuhr er sie an und da gehorchten sie. Beinahe schrie Tia auf, als sie beobachtete, wie er Stuarts Wade packte und die Verletzung untersuchte. »Kommen Sie her, Miss Godiva. Sicher besitzen Sie ein paar medizinische Grundkenntnisse. Zerreißen Sie Ihren Unterrock. Wir brauchen Verbandszeug und eine Aderpresse ...«
»Aber ich finde keinen passenden Stock«, jammerte Gilly.
»Zerbrechen Sie den alten Besenstiel da drüben. So was muss ein junger, kräftiger Bursche wie Sie doch schaffen.«
Während Gilly gehorchte, riss Tia ein paar Streifen von ihrem Unterrock. Einerseits war sie froh über die Hilfe der Yankees, andererseits fühlte sie sich gedemütigt, weil er sie alle herumkommandierte. Verdammt noch mal, sie wusste selber, was zu tun war. Und hätte er sie nicht daran gehindert, die Jungs zu begleiten, wäre Stuarts sorgsam genähte Wunde nicht erneut aufgeplatzt. Seit Jahren arbeitete sie mit ihrem Bruder Julian zusammen, einem tüchtigen Militärarzt, und sie hatte viel von ihm gelernt.
Wie sie zugeben musste, war der Yankee sehr geschickt. Innerhalb einer Minute hatte er eine Aderpresse hergestellt und die Blutung verlangsamte sich. Bald kam sie vollends zum Stillstand und er erklärte den Jungs, wie sie die Aderpresse langsam lockern sollten. Im Grunde spielte es ja auch keine Rolle, wer Stuarts Leben gerettet hatte.
»Private Gilly - so heißen Sie doch?«, fragte der Yankee.
»Private Gilly Shenley, Sir«, antwortete der strohblonde Junge mit dem zarten Bartflaum am Kinn. Zu Tias Ärger salutierte er sogar.
»Laufen Sie zum Bach und holen Sie möglichst viel von dem Moos, das dort auf den Steinen wächst. Wir nähen die Wunde und machen einen Umschlag, dann müsste sie gut verheilen.«
»Ja, Sir.«
»Außerdem brauche ich ein paar Pilze, die mit den schwarzen Hütchen. Wissen Sie, welche ich meine?«
»Die hole ich«, erbot sich Tia. »Ich weiß genau ...«
»Nein, das wird Private Shenley erledigen. Sie können doch eine Wunde nähen?«
In ihrer Rocktasche steckten Nadeln und chirurgische Fäden, von ihrem Vetter Jerome McKenzie beschafft, einem der wenigen Rebellen, die immer noch erfolgreich die Blockade brachen. Sie fädelte einen Faden ein, dann starrte sie die Nadel an. Unglücklicherweise trug sie keine Streichhölzer bei sich und so konnte sie die Spitze nicht erhitzen. Aber zu ihrer Verblüffung zog der Yankee eine Packung Streichhölzer hervor und zündete eins an. Tia hielt die Nadel in die Flamme, um sie zu sterilisieren. Sorgfältig nähte sie die Hautfetzen rings um die Wunde in der Wade des jungen Soldaten zusammen. Dabei spürte sie, wie der Yankee sie aufmerksam beobachtete, und danach las sie zum ersten Mal so etwas wie Anerkennung in seinem Blick.
»Großartig«, lobte er.
»Nun, ich habe einige Erfahrungen gesammelt«, erwiderte sie trocken.
»Waren Sie während des ganzen Krieges in Florida?«
»Ja, und wir mussten uns unentwegt um Verwundete und Kranke kümmern.«
»Oh, ich wollte keineswegs andeuten, Ihre Talente wären hier vergeudet. Ich dachte nur, wie wertvoll Sie auf den Schlachtfeldern gewesen wären, wo wahre Tragödien stattfanden und an einem einzigen Tag zehntausend Männer fielen.«
Sie zuckte
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