Sieg der Liebe
Michel wird leben, dachte sie voller Freude.
„Ich liebe dich, Michel Gericault!“ rief sie überglücklich.
Er lächelte sie an, hielt ihre Hand fest, und an seinem Blick erkannte sie die Kühnheit, die ihm so eigen war. „Und ich liebe dich, Jerusa Sparhawk!“ rief er zurück. „Und nun spring!“
Mit einem wilden Aufschrei tat sie es.
17. KAPITEL
„Jerusa?“
Michel rollte sich im Sand herum und griff nach der Pistole in seinem Gürtel, doch die war nicht dort. Und auch Jerusa war nicht da. Nur die Abdrücke ihrer bloßen Füße waren zu sehen, und die Schleifspuren, wo sie ihre Röcke durch den Sand gezogen hatte. Wohin mochte sie gegangen sein? Sie war bei ihm gewesen, als sie endlich aus der Brandung gekrochen waren, und sie hatte sich in seine Arme gekuschelt, als sie hier zusammenbrachen, oben auf dem Hügel unter den Palmen.
„Jerusa!“ Unsicher kniete er sich zuerst hin, dann richtete er sich ganz auf. An den Stamm einer Palme gestützt, ließ er den Blick über den leeren Strand wandern. Seine Waffe hatte er verloren, aber das Messer war noch da. Er zog es jetzt hervor und lauschte, ob er irgendein Geräusch hörte. Ihm war schwindelig vom Hunger, von dem vielen Seewasser, das er geschluckt hatte, und von dem schleichenden Fieber. Und er hatte keineswegs den Wunsch, Jerusa einzufangen, wo immer sie hingegangen sein mochte.
Aber vielleicht war sie nicht geflohen. Womöglich war die Insel gar nicht unbewohnt, wie es ausgesehen hatte, und während er schlief, war vielleicht ein anderer Mann gekommen und hatte sie entführt ...
„Oh, wie schön, Michel, du bist wach!“ Sie sprang auf ihn zu durch das hohe Gras am Waldrand. Die zerschlissenen Röcke hatte sie über ihren langen Beinen hochgebunden, und unter dem Arm trug sie ein Bund Bananen, die noch an einem Zweig hingen. „Sieh mal, was ich gefunden habe!“
„Du hättest nicht allein fortlaufen sollen, ma mie“, warnte er sie. Er fühlte sich schrecklich elend, aber ihr ging es offensichtlich gut. „Wer weiß, was dir hätte passieren können.“
„Ach was, Michel, sei nicht so zimperlich“, spottete sie. Sie strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht und blickte so eindringlich auf sein Messer, daß er es schließlich wieder in den Gürtel schob. „Ich sagte dir bereits, daß ich auf einer Insel aufgewachsen bin. Ich kann sehr gut allein auf mich aufpassen.“
Sie lächelte ihn an. „Hast du eine Ahnung, wo wir sein könnten?“
Er seufzte und wünschte, ihm wäre so fröhlich zumute wie ihr. „Irgendwo vor der dominikanischen Küste, vielleicht. So nahe, daß Hay und seine Kameraden besser bei der Swan geblieben wären, anstatt mit ihren Booten loszufahren.“
Sie folgte Michels Blick dorthin, wo die Brigg zwischen den Felsen lag, so still, als wäre sie dort zur Schau gestellt. In dem hellen warmen Sonnenlicht war es leicht, den Sturm von gestern zu vergessen und auch, wie nahe sie dem Tod gewesen waren.
„Glaubst du, sie haben das Land erreicht?“ fragte Jerusa. „Ich habe in dieser Bucht keine Spur von ihnen gesehen. Hast du etwas entdeckt, was auf ihre Anwesenheit hinweist?“
„Nein“, sagte Michel. „Später, bei Ebbe, sollten wir noch einmal an Bord gehen. Es gibt dort ein paar Dinge, die wir nicht den Strandräubern überlassen sollten. “
„Strandräuber?“
„Natürlich, ma cherie“, erwiderte er. Ihre Naivität überraschte ihn. Glaubte sie wirklich, daß sie an eine unbewohnte Insel gespült worden waren? Franzosen, Spanier und Engländer waren in den letzten dreihundert Jahren in diesen Gewässern unterwegs gewesen, und vor ihnen Indianer, und die Wahrscheinlichkeit, irgendwo in der Karibik eine wirklich menschenleere Insel zu finden, war denkbar gering.
„Die Brigg wird nicht lange unbemerkt bleiben“, erläuterte er. „Und da die Mannschaft sie verlassen hat, erlaubt das Bergungsrecht jedem, sie für sich zu beanspruchen, der sie haben will. Vermutlich werden die ersten Boote morgen mittag hier sein. “
„Oh“, sagte sie betrübt und ließ sich in den Sand fallen. „Ich dachte nicht, daß wir schon so bald gerettet würden.“
Morbleu, sie hatte geglaubt, daß sie hier für alle Ewigkeit gestrandet waren. Aber so töricht eine solche Idee auch war, es blieb eine verlockende Vorstellung, und er konnte nur zu gut verstehen, warum sie sich danach sehnte. In Martinique wurden sie ganz gewiß von seiner Mutter erwartet und inzwischen mit großer Wahrscheinlichkeit auch von ihrem Vater.
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