Sieg einer großen Liebe
Napal, der Waren aus Indien in die ganze Welt verschiffte. Napal gehörten nicht nur die Güter, mit denen er handelte, sondern auch vier Schiffe. Auf einem davon war ich Offizier.
Ich war sechs Monate lang auf See gewesen, und als wir in den Hafen zurückkehrten, lud Napal den Kapitän und mich zu einer kleinen Feier in sein Haus ein, da die Reise äußerst gewinnbringend gewesen war.
In Indien ist es immer heiß, doch an jenem Tag schien es noch drückender als sonst, vor allem da ich mich auf der Suche nach Napals Haus verlaufen hatte. Ich irrte in einem Gewirr von Gassen umher, und als ich endlich wieder herauskam, fand ich mich auf einem verkommenen kleinen Platz wieder, der voll mit schmutzigen, zerlumpten Indem war. Die Armut dort ist so schlimm, daß man es sich hier nicht vorstellen kann. Jedenfalls schaute ich mich um in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, den ich auf Englisch oder Französisch ansprechen und nach dem Weg fragen konnte.
An einer Ecke des Platzes hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die etwas beobachtet...was es war, konnte ich nicht sehen...und ich ging näher heran. Die Menschen standen vor einem Gebäude und verfolgten, was drinnen vor sich ging. Ich wollte mich schon abwenden, da fiel mit das grob gehauene Holzkreuz ins Auge, das draußen an die Hauswand genagelt war. Ich hielt es für eine Kirche, und hoffte, hier eine Auskunft zu bekommen. So kämpfte ich mich durch die Menschenmenge und ging hinein. Innen drängelte ich mich an hundert armseligen Indem vorbei dorthin, wo ich eine Frau wie eine Irre auf Englisch über die Lust und die Rache des Allmächtigen brüllen und zetern hörte.
Schließlich kam ich an eine Stelle, von wo aus ich etwas sehen konnte.
Die Frau stand auf einem Holzgerüst mit einem kleinen Jungen neben sich. Sie deutete auf das Kind und schrie, es sei der Teufel, die ,Saat der Lust“ und der ,Ursprung alles Bösen'. Und dann riss sie dem Kind den Kopf hoch.
Ich war bestürzt, als ich erkannte, daß der Junge ein Weißer war, kein Inder. Sie rief allen zu, den 'Teufel zu betrachten und zu sehen, welche Rache der Herr nimmt'. Dann drehte sie den Jungen herum, um die 'Rache des Herrn' zu zeigen. Als ich seinen Rücken erblickte, dachte ich, mir wird schlecht.“
Kapitän Farrell schluckte hörbar. „Victoria, der Rücken des Kindes war grün und blau von den letzten Schlägen und voller Narben von wer weiß wieviel vorangegangenen Prügeln. Wie es schien, hatte sie eben aufgehört, ihn vor ihrer 'Glaubensgemeinde' zu misshandeln. Die Inder widersprachen dieser Art von barbarischer Grausamkeit nicht. “
Farrells Züge verkrampften sich, als er fortfuhr. „Während ich dastand, verlangte das wahnsinnige, hässliche alte Weib von dem Jungen, daß er auf die Knie ging und den Herrn um Vergebung bitten sollte. Er blickte ihr gerade in die Augen, sagte kein Wort und rührte sich nicht. Da schlug sie ihn mit der Peitsche mit einer Wucht auf die Schultern, die einen ausgewachsenen Mann auf die Knie geworfen hätte. ,Bete, du Teufel“, schrie sie das jetzt kniende Kind an und hieb von neuem auf es ein. Der Junge schaute nur starr geradeaus. Da sah ich seine Augen... sie waren trocken. Keine einzige Träne war darin. Aber Schmerz stand darin ... so viel ausgestandene Pein stand darin! “
Victoria erschauderte vor Mitleid für das unbekannte Kind.
Warum erzählte Farrell ihr diese fürchterliche Geschichte, bevor er von Jason sprach?
„Ich werde die Qual in seinen Augen nie vergessen“, fuhr Farrell rauh flüsternd fort, „oder wie grün sie in dem Augenblick wirkten.“ Das Glas rutschte Victoria aus der Hand und zerschellte auf dem Fußboden. Heftig schüttelte sie den Kopf und versuchte von sich abzuwehren, was der Kapitän ihr erzählte. „O nein“, rief sie, „bitte nicht...“
Ohne ihr Entsetzen zu beachten, sprach der Kapitän weiter, wobei er in Erinnerungen verloren vor sich hinstarrte. „Nun faltete der kleine Junge die Hände und betete. ,Ich knie vor dem Herrn und flehe ihn um Vergebung an.‘ Die Frau zwang ihn, lauter zu sprechen und den Satz zu wiederholen, bis sie endlich zufrieden war. Dann zerrte sie das Kind auf die Füße. Sie drückte ihm eine kleine Schüssel in die Hand und befahl ihm, die Gerechten um Verzeihung zu bitten. Dabei deutete sie auf die Inder. Ich beobachtete, wie der Junge in die Menge ging, um den Mitgliedern der .Gemeinde“ die schmutzigen Rocksäume zu küssen und zu betteln.“
„Nein“, stöhnte
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