Sieg einer großen Liebe
Trauerkleidung um ihre Eltern frühzeitig abzulegen.
„O Miß“, rief Ruth aus. „Sie sind so schön! Seine Lordschaft wird seinen Augen nicht trauen, wenn er Sie sieht.“
Ruth behielt recht. Doch Victoria war zu wütend, um die geringste Genugtuung über Jasons überraschten Gesichtsausdruck zu empfinden, als sie ins Speisezimmer trat.
„Guten Abend, Onkel Charles“, sagte sie und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Jason sprang auf.
Victoria sah ihm trotzig ins Gesicht und schwieg, während er sie von Kopf bis Fuß betrachtete. Victoria war an bewundernde Blicke gewöhnt, doch Jasons genüsslich unverschämte Prüfung ihres Körpers war nicht mehr anständig. „Sind Sie bald fertig?“ fragte sie ungeduldig.
Er sah ihr aufmerksam in die Augen und lächelte ein wenig gequält über den Ausdruck von Feindschaft, den er plötzlich darin sah. Er streckte die Hand aus, und Victoria trat rasch einen Schritt zurück, bevor ihr klar wurde, daß er ihr nur einen Stuhl zurechtrücken wollte.
„Habe ich mich wieder danebenbenomme... .?“ erkundigte er sich belustigt, wobei seine Lippen ihrer Wange unangenehm nahe kamen, als Victoria sich setzte. „Ist es in Amerika nicht üblich, daß ein Herr der Dame einen Stuhl anbietet?“
Victoria zog den Kopf weg.
„Rücken Sie mir den Stuhl zurecht oder versuchen Sie, mein Ohr aufzuessen?“
Er schmunzelte. „Das werde ich vielleicht tun“, entgegnete er, „wenn die neue Köchin uns eine misslungene Mahlzeit serviert.“ Er ging zu seinem Platz zurück und sah Charles an. „Ich habe den dicken Franzosen entlassen“, erklärte er.
Victoria hatte die Absicht, erst nach dem Essen mit Jason ein Wort unter vier Augen wegen ihrer verschwundenen Kleider zu wechseln und wandte ihre gesamte Aufmerksamkeit Charles zu. Doch im Verlauf der Mahlzeit fühlte sie immer wieder Jason Fieldings Blicke auf sich ruhen.
Jason hob das Weinglas an die Lippen und beobachtete sie. Sie war wütend auf ihn und konnte es kaum erwarten, ihm endlich die Meinung zu sagen, das sah er ihr an.
Was für eine stolze temperamentvolle Schönheit sie ist, dachte er. Vorher hatte er sie schon für ein hübsches Ding gehalten, aber er hatte nicht erwartet, daß sie sich einfach durch Ablegen der unvorteilhaften schwarzen Kleidung in eine richtige Beauté verwandeln würde. Bestimmt hatte Victoria Seaton den Burschen zu Hause den Kopf verdreht. Zweifellos würde sie dasselbe mit den englischen Jungen tun. Und mit den Männern, verbesserte er sich.
Und hier lag sein Problem. Er kam rasch zu der Überzeugung, daß sie trotz ihrer verlockenden Figur und dem bezaubernden Gesicht unerfahren und unschuldig war, wie Charles behauptet hatte. Gegen seinen Willen war er nun für sie verantwortlich. Die Vorstellung, daß er die Tugend eines jungen Mädchens verteidigen sollte, brachte ihn beinahe zum Lachen. Wer ihn und seinen schlechten Ruf in Bezug auf Frauen kannte, würde dies sicher ebenso widersinnig finden wie er selbst.
O'Malley schenkte Wein nach, und Jason trank, während er zu einem Entschluss zu kommen versuchte, wie er diese Verantwortung am besten wieder los wurde. Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugter war er, daß er ihr eine Saison in London ermöglichen sollte, wie Charles es wünschte.
Schön wie Victoria war, konnte es nicht schwer werden, sie erfolgreich in die Gesellschaft einzuführen. Und mit der zusätzlichen Verlockung einer kleinen Mitgift sollte es auch rasch möglich sein, sie mit einem geeigneten Mann zu verheiraten. Falls sie jedoch glaubte, ihr Andrew würde sie holen, konnte das Monate, sogar Jahre dauern, bis sie sich für einen anderen entschied. Und diese Möglichkeit gefiel Jason überhaupt nicht.
Seinem halb gefassten Plan zufolge stellte er ganz beiläufig eine Frage. „Charles erzählte mir, daß du so gut wie verlobt bist mit....... . Anson? Albert?
„Was ist er für ein Mensch?“
Beim Gedanken daran flog ein zärtliches Lächeln über Victorias Züge. „Er ist sanft, intelligent, liebenswert, rücksichtsvoll, sieht gut aus... .“
„Ich denke, ich kann mir ein Bild machen“, unterbrach Jason sie kühl. „Nimm meinen Rat und schlage ihn dir aus dem Kopf.“ Victoria unterdrückte den Wunsch, ihm etwas an den Kopf zu werfen. „Warum?“ fragte sie statt dessen.
„Er ist nicht der Richtige für dich. In vier Tagen hast du meinen Haushalt auf den Kopf gestellt. Womit würdest du dich bei einem gesetzten Farmer vergnügen, der ein
Weitere Kostenlose Bücher