Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
kommen, zogen mich unter Wasser und machten mir so klar – als hätte ich die Erinnerung gebraucht –, dass ich es, wenn ich mich in einen Kojoten verwandelte, um Zähne zu bekommen, nie schaffen würde, mich lange genug auf ihr festzuhalten, um irgendetwas auszurichten. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich mich in einen Kojoten verwandeln konnte – Kojote war tot. Ich hatte nichts.
Mein Kopf war wieder über der Wasseroberfläche, als ein Gedanke durch mein Hirn schoss.
Lugh hat nie etwas gefertigt, was nicht als Waffe verwendet werden kann, hatte der Eichendryad gesagt.
Vielleicht hatte ich ja doch eine Waffe.
Spring, drängte mich Flussteufel. Schwimm zum Ufer. Vielleicht lasse ich dich sogar dort ankommen, wenn du schnell genug schwimmst. Oder ich könnte sogar beschließen, dich mit deinem Versagen leben zu lassen, weil das eine angemessenere Bestrafung wäre.
Ich öffnete meine Hand und sagte. »Komm. Jetzt. Ich brauche dich.« Dann griff ich hinter meine Hüfte und packte den Wanderstab aus Eichenholz mit den Silberbeschlägen.
Der Flussteufel wand sich und der Körperteil, auf dem ich saß, wurde ein gutes Stück aus dem Wasser gehoben. Ich nutzte den Schwung ihrer Bewegung zusätzlich zu meinem, als ich mit dem Ende des Stabes zustieß. Kurz bevor ich ihn in das Herz rammte, sah ich noch, wie das Ende sich zu einer silbernen Speerspitze verformte. Der Speer drang gute fünfzehn Zentimeter tief in ihr Herz ein und stoppte dann, als wäre er auf etwas Hartes gestoßen. Als wir anfingen, wieder zurück ins Wasser zu fallen, drehte sich der Flussteufel und richtete sich auf.
Das gesamte Metall am Wanderstab war plötzlich weißglühend. Meine Füße glitten an der glatten Seite des Flussteufels ab und instinktiv umklammerte ich den Stab mit all meiner Kraft, obwohl er mir die Hände verbrannte. Ich bezweifele, dass ich mich noch eine weitere Sekunde hätte festhalten können, aber eine Sekunde war alles, was ich brauchte.
Der Stab verschob sich in dem Monster, und ich fürchtete, mein Gewicht würde ihn herausziehen, aber ein panischer
Blick, bevor mein Kopf unter Wasser gedrückt wurde, zeigte mir ein vollkommen anderes Bild.
Der Stab hatte die Hitze aus ihrem Fleisch gesaugt und ihr schwarzes Herz in weißes Eis verwandelt. Mein Körpergewicht hatte dem Wanderstab mehr Drehmoment verschafft; das Herz brach und löste sich aus dem Körper des Monsters.
Irgendwie endete ich unter Flussteufel und sie drückte mich auf den Boden, was nicht allzu tief war. Ich wand und drehte mich, um unter ihr herauszukommen – es wäre zu ironisch, jetzt noch zu sterben, ertrunken in nicht einmal zwei Meter tiefem Wasser.
Ich verlor den Wanderstab aus den Augen, aber das war okay: er würde zurückkommen. Sobald ich frei war, hätte ich fast zu lange dafür gebraucht, zu entscheiden, wo oben war.
Schließlich wurde ich schlaff und ging davon aus, dass es die Richtung war, in die ich schwebte. Irgendwann tauchte ich auf. Wären wir tiefer im Wasser gewesen, hätte ich es vielleicht nicht geschafft.
Im Wasser schwammen schmelzende Eisstücke. Sie stanken nach Magie und Blut und ich wich ihnen aus, als ich unglaublich langsam ans Ufer zurückschwamm. Als das Wasser zu seicht zum Schwimmen wurde, kroch ich. Meine Füße unter den Körper zu ziehen, war einfach zu anstrengend.
Ich kämpfte mich aus dem Wasser und fand eine letzte Kraftreserve, die mich zu Adam brachte. Erst als ich eine Hand in seinem dichten Fell vergraben hatte, fand ich den Mut, mich umzudrehen und Flussteufel anzusehen. Sie trieb immer noch im Wasser und bewegte sich mit der
Strömung. Die Wunde, die ich geschlagen hatte, war noch zu sehen; sie heilte nicht.
»Adam«, sagte ich zu seinem bewusstlosen Körper. »Adam, wir haben es geschafft.«
Ich legte meine Stirn auf seine Flanke und ließ zu, dass ich es selbst glaubte.
»Ich sollte dich am Leben lassen«, knurrte die Stimme eines Mannes und griff damit unbewusst die Worte des Monsters auf – oder vielleicht hatte er sie ja auch gehört.
Ich sah zu dem Mann auf, der zwischen mir und dem Fluss stand. Sein Gesicht wirkte falsch, wie eine schlechte Zeichnung. Fast menschlich, aber nicht ganz. Er trug trockene Jeans und ein T-Shirt mit einem Aufdruck der Universität von Washington, aber seine Füße waren nackt. Sein struppiger Bart war ein wenig dunkler als seine Haare. Obwohl in seiner Stimme jede Menge Gefühl mitgeschwungen hatte, war in seinem Gesicht nichts davon zu
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