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Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Titel: Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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legte einen Arm um mich. »Vielleicht war es eine Art Visionssuche ohne den Fasten-Teil.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nö. Ich habe meine Visionssuche bereits hinter mir.«
    Er lehnte sich zurück, um mir ins Gesicht schauen zu können. »Wirklich?«
    »Hmmm«, antwortete ich. »In dem Sommer, in dem Charles mir beigebracht hat, wie man Autos repariert. Eines Tages nahm er mich mit in den Wald. Wir fasteten drei Tage lang, dann befahl er mir, mich nicht in einen Kojoten zu verwandeln, und schickte mich in die Berge hinaus.«
    »Was hast du gesehen?«, fragte Adam. »Oder soll das geheim bleiben?«
    Ich schnaubte. »Es ist heilig, aber nicht geheim, glaube ich.« Obwohl die einzige Person, der ich je davon erzählt hatte, Charles war. »Aber meine Vision war ziemlich seltsam. Ich habe Charles gefragt, was ich falsch gemacht habe, und er hat mich nur so angesehen …« Ich versuchte, mein Gesicht zu einer emotionslosen, aber trotzdem irgendwie erschreckenden Maske erstarren zu lassen – und Adam grinste.
    »Was hat er gesagt, als du ihm diese Grimasse gezeigt hast?«, fragte er.
    Nur ein Idiot würde Charles direkt verarschen. Adam kannte mich so unglaublich gut.
    »Er hat mich gefragt, ob ich etwas Schlechtes gegessen hätte«, sagte ich. »Aber er hatte den Kopf abgewandt, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich glaube, er hat vielleicht gelächelt.«
    Adam lachte. »Zurück zu deiner Vision.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Meine Vision war ein wenig … Charles hat mir erklärt, dass es keine falsche oder richtige Art gibt, eine Vision zu haben. Sie ist einfach. Dann
hat er mir von einem Kerl erzählt, der eine Vision hatte und rausgefunden hat, dass er mit den Geistern reden konnte. Elchgeist kam zu ihm und erklärte ihm, er müsse Elchgeist dienen. Um das zu tun, sollte er sich nur in Gelb kleiden. Oder vielleicht war es auch Blau. Also hat dieser Kerl das für ein paar Jahre getan, bis Bärgeist kam und ihm mitteilte, dass er mit Elchgeist gesprochen hatte und dass er von nun an auf Bärgeist hören sollte. Also wies Bärgeist ihn an, sich das Gesicht rot anzumalen und rückwärtszulaufen. Als Charles’ Großvater, der Medizinmann, diesen Mann traf, lief er schon seit Jahren und Jahren rückwärts. Charles’ Großvater hörte sich die Geschichte des Mannes an und sagte ihm: ›Nur weil du die Geister hörst, heißt das nicht, dass du ihnen gehorchen musst.‹« Ich hatte fast vergessen, dass Charles mir diese Geschichte erzählt hatte. Ich nehme an, es war ein Anzeichen dafür, wie aufgeregt ich darüber gewesen war, dass ich nicht die Art von Visionssuche erlebt hatte, die ich erwartet hatte – eine mit Adlern und Hirschen, die mich zur Erleuchtung führten.
    »Was ist passiert?«, fragte Adam.
    »Dein Hot Dog brennt.«
    Er zog den schwarzen Rest aus dem Feuer und tippte ihn probeweise auf den Boden. Das Würstchen zerbröselte. Er holte sich das nächste und steckte es auf seine Grillgabel, während ich meines aß.
    »Mercy, was ist mit dem Kerl passiert, der immer nur rückwärtslief?«
    »Er hat sich das Gesicht gewaschen und ist wieder vorwärtsgegangen. Nach ungefähr fünf Schritten ist er gestolpert und hat sich das Bein gebrochen.«
    »Das hast du jetzt erfunden«, sagte Adam und zog seine Wurst kurz aus dem Feuer, um sie zu mustern. Sie war noch nicht schwarz, also hielt er sie wieder über die Flammen.
    Ich hob die Hand. »Pfadfinderehrenwort, das ist die Geschichte, die Charles mir erzählt hat. Frag ihn, wenn du nicht merkst, ob ich lüge oder nicht.« Das war unter Werwölfen eine ziemliche Abfuhr. Nur ein sehr neu verwandelter Werwolf konnte eine Lüge nicht von der Wahrheit unterscheiden. »Charles hat aber auch erzählt, dass der Mann nie wieder rückwärtsgelaufen ist.«
    »Du musst ein Junge sein, um ein Pfadfinderehrenwort geben zu können«, erklärte Adam.
    »Nö. Leiterin der Pfadfinderinnen.« Ich zeigte mit dem Daumen auf meine Brust. »Irgendwie. Als meine Mom es nicht machen konnte. Aber du wolltest meine Vision hören.«
    »Ja.«
    Ich öffnete den Mund, um ihm die lustige Version zu erzählen, aber was tatsächlich über meine Lippen kam, war etwas vollkommen anderes.
    »In einem Moment saß ich allein in der Mitte eines Waldes; im nächsten wanderte ich durch einen vollkommen anderen Ort. Alles war grau, fast wie in einem Schwarz-Weiß-Film, nur dass es kein Weiß oder Schwarz gab, nur seltsame, verschiedene Grautöne. Es gab kein Gras oder Bäume, nur endlose

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