Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
Sandhügel. Es fühlte sich … leer an. Wie in diesen postapokalyptischen Horrorfilmen, weißt du? Leer, aber auch beängstigend.«
Ich fühlte mich wie damals: Mir wurde eng um die Brust, ich konnte nur noch mühsam atmen und meine
Nackenhaare stellten sich auf, weil ich wusste, dass etwas Böses nicht weit entfernt lauerte und mich beobachtete.
Adam zog seinen Hot Dog aus dem Feuer, aber statt ihn zu essen, rammte er das stumpfe Ende der Grillgabel in die Erde, so dass sie wie ein bizarres Gartengerät nach oben stand. Dann zog er mich an sich und ich entspannte mich weit genug, dass ich wieder normal atmen konnte.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hatte nicht erwartet, dass es mich so belastet.«
»Du musst es mir nicht erzählen.«
»Nein«, sagte ich. »Aber ich will es tun.« Es fühlte sich richtig an. Charles hatte mir erklärt, dass ich wissen würde, wann es Zeit war, meine Erfahrung mit jemandem zu teilen. Manchen Leuten wurde auferlegt, jeder Person, die sie trafen, von ihrer Erfahrung zu erzählen, aber die meisten von uns redeten nur mit wenigen Leuten darüber.
»Also wanderte ich durch diesen hoffnungslosen Ort. Das Einzige, was ich außer Sand sehen konnte, waren die Überreste von Gebäuden. Am Anfang waren einige der Gebäude modern – hohe Häuser aus Glas und Stahl. Aber das Glas war gebrochen oder fehlte und der Stahl fast vollkommen verrostet. Als ich weiterging, wurden die Gebäude älter. Ich erinnere mich genau daran, die Ruine eines alten viktorianischen Hauses gesehen zu haben, das vollkommen schräg stand, als wäre es nur ein riesiges Puppenhaus, das ein Kind umgetreten hatte. Dann kamen Gebäude wie aus einem Western-Film, aber nachdem sie Jahrzehnte verlassen waren. Geschwärzte Pfosten in den Resten von Lehmziegelhäusern, die halb im Sand vergraben waren, mit Pferdestangen davor und zerbrochenen Bohlenwegen, zwischen denen totes Unkraut hervorquoll.
Ich bin das einzige lebende Wesen an diesem Ort.
Schließlich gab es nur noch Zeltstangen und ich wandere zwischen ihnen herum, weinend und schluchzend, der Rotz läuft mir aus der Nase – das volle Programm, obwohl ich nicht weiß, worum ich trauere.«
»Wie alt warst du?«, fragte Adam.
»Das war, nachdem Bryan gestorben war«, antwortete ich. »Ziemlich bald danach, glaube ich.« Allein darüber zu reden erschütterte mich und mein Unterkiefer zitterte als wäre mir kalt, obwohl ich Adams Körper fest und warm an meinem spüren konnte. Er war real, aber auf eine seltsame Art war auch diese lang vergangene Vision real. »Also ungefähr vierzehn oder so.«
Adam das alles zu erzählen war fast, wie es noch einmal zu durchleben. Die Gefühle waren echt und überwältigend gewesen, vielleicht das realste an der gesamten Vision.
»Schließlich erreichte ich dieses Auto – einen alten Ford Modell T, der bis zu den Achsen im Sand versunken war. Er war so traurig. Ich konnte seine Trauer tief in meinem Herzen fühlen und das lenkte mich von dem Grund ab, aus dem ich in erster Linie geweint hatte. Ich legte meine Hände darauf, aber es gab keine Möglichkeit, den Wagen auszugraben oder zu reparieren. Das habe ich dem Auto erklärt, als könnte es verstehen, was ich sagte. Für mich fühlte es sich so an als könnte es mich verstehen. Ich habe mich dafür entschuldigt, dass ich nicht mehr tun konnte.
Dann fing es unter meinen Fingern an zu vibrieren und schließlich zitterte es so stark, dass ich es nicht mehr festhalten konnte. Ich musste die Augen schließen, weil es so viel Sand aufwirbelte, und als ich sie wieder öffnete, stand ich allein in einem Wald.«
Ich erinnerte mich daran, wie viel Angst ich in dem Wald gehabt hatte. Mein Puls raste und auf meinen Oberarmen bildete sich Gänsehaut. Der Wald hätte im Vergleich zu der toten Düsternis, in der ich mich vorher befunden hatte, eine Erleichterung darstellen müssen. Der Wald war mein zweites Zuhause gewesen – aber in dem Wald meiner Vision gab es versteckte Beobachter, gefährliche Beobachter, die nicht mit mir einverstanden waren.
»Es war ein dunkler Wald. Obwohl er aus lauter Nadelbäumen bestand, bildeten ihre Äste ein dichtes Dach über mir – wie in einem Regenwald. Ich konnte fühlen, dass ich beobachtet wurde, aber egal wie sehr ich mich anstrengte, ich sah niemanden. Meine Beobachter folgten mir, als ich weiterging. Schließlich fing ich an zu laufen und verfiel wie ein Hase in Panik. Es schien, als wäre ich für Stunden gerannt. Jedes Mal, wenn ich
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