Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
gesehen«, sagte ich. »Wir treffen uns da.«
»Es ist ein bisschen früh fürs Mittagessen«, meinte er. Wir hatten gefrühstückt, bevor er mich am Wal-Mart abgesetzt hatte.
»Du bist ein Wolf«, informierte ich ihn. »Du kannst immer essen.«
»Was hast du getan?«
Ich hörte Sirenen und hoffte inständig, dass niemand kam und nach mir suchte, während ich meine Schritte ein wenig beschleunigte. »Anscheinend habe ich mich mit meiner Freundin geprügelt.« Ich legte auf, bevor er weitere Fragen stellen konnte.
Die freundliche Frau im Sandwichladen füllte mir nur zu gern eine Tüte mit Eis und schluckte meine Geschichte über eine eifersüchtige Freundin mit verständnisvollem Interesse (meinen Ehering hielt ich versteckt). Sie machte mir zwei große Hühnchen-Sandwiches und zwei Becher Saft.
Als Adam kam, beobachtete ich die Polizeiwagen vor dem Wal-Mart – musste ein ruhiger Tag sein – und drückte mir den Eisbeutel ans Auge, den ich mit dem neuen, blutverschmierten schwarzen T-Shirt umwickelt hatte. Bei Blutflecken auf einem neuen schwarzen Hemd ging es eher um Stoffbeschaffenheit und Geruch als um die Farbe.
»Ich glaube, wir sollten zum Campingplatz zurückfahren«, erklärte ich ihm.
Er zog mir das Eis vom Gesicht und sah sich das Veilchen
genau an, bevor er mir wieder erlaubte, meine Wunde zu kühlen. Dann betrachtete er eingehend meine beiden Hände, bevor er meine freie Hand an die Lippen zog, um die Kratzer zu küssen. Er führte mich zum Truck und schnallte mich an.
Es war wirklich gut, dass nicht allzu viele Autos auf dem Parkplatz standen, sonst wäre er mit dem großen Truck nie rückwärts wieder herausgekommen. Solche Probleme hatte ich mit dem Golf nie.
Er sagte nichts, sondern fuhr einfach schweigend die fünfhundert Meter bis zur Auffahrt auf den Highway. Ich brach erst auf der Höhe von The Dalles zusammen.
»Ich wusste nicht, dass jemand vorhat mich zu töten, als ich dich dazu gebracht habe, mich allein zu lassen.«
»Ich habe Feenvolk gewittert«, sagte er neutral – der Miesling. Deswegen hatte er meine Knöchel geküsst.
»Sie hat mich in der Umkleide angegriffen«, erzählte ich ihm widerwillig. Ich hatte von dem Moment an, als sie mein Auge gegen den Türknauf gerammt hatte, gewusst, dass ich den Kampf nicht vor Adam verstecken konnte. Nicht, dass ich wirklich vorgehabt hatte, den Angriff geheim zu halten; es war nur eine Möglichkeit, die ich mir gerne offengehalten hätte. »Ich glaube, es war eine der Otterkin – und sie war die seltsame Frau vom Mittagessen neulich.«
»Hast du die Leiche liegen gelassen?«, fragte er.
»Keine Leiche«, erklärte ich. »Ich habe nicht versucht, sie zu töten. Und sobald ich ihr Messer hatte verschwinden lassen, war ich mir ziemlich sicher, dass sie mich nicht mehr töten konnte. Sie war nicht viel stärker als ein normaler Mensch.« Ich dachte einen Moment nach. »Zumindest
hatte ich nicht das Gefühl. Sobald die Angestellte in den Raum kam, hat sie sich wieder in einen Otter verwandelt und ist durch die Decke verschwunden. Vielleicht hat sie Magie eingesetzt, um dort hochzukommen, aber Otter sind ziemlich geschickt.«
Er massierte seine Nasenwurzel, dann lachte er. »Ich nehme an, du hast bewiesen, dass du Recht hattest«, meinte er. »Du kannst wirklich auf dich selbst aufpassen.«
»Ich frage mich, warum die Otterkin versuchen, mich zu töten?«
»Ich glaube nicht, dass wir das Feenvolk rufen werden, um uns gegen den Flussteufel beizustehen«, sagte Adam. »Ich fürchte, es besteht die Möglichkeit, dass sie sich auf die falsche Seite schlagen.«
»Du hast darüber nachgedacht, das Feenvolk um Hilfe zu bitten?«, quietschte ich. Um Hilfe bitten war noch schlimmer, als um einen Gefallen zu bitten.
Er warf mir einen genervten Blick zu. »Ich habe doch gesagt, ich werde es nicht tun.«
»Es klang als hättest du es vielleicht getan, bis ich angegriffen wurde.«
»Du versuchst mich abzulenken«, sagte er. »Das musst du nicht. Ich werde dich nicht anschreien, weil du angegriffen wurdest – besonders, nachdem du den Kampf gewonnen hast.«
»Sie ist weggelaufen«, antwortete ich.
»Ohne ihre Aufgabe zu erfüllen. Für mich ist das verlieren. Schließlich hast du ihr das Messer abgenommen, bevor sie es in dich rammen konnte.«
Ich musterte ihn wachsam, aber er schien wirklich nicht allzu besorgt.
»Mercy«, sagte er, »in einem fairen Kampf zwischen Gleichstarken werde ich immer hinter dir stehen. Es sind die
Weitere Kostenlose Bücher