Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
ihr Gesicht – es war die seltsame Frau, die Adam und mich vorgestern im Restaurant so angestarrt hatte. Ich hatte Recht gehabt. Sie war eine Angehörige des Feenvolkes – um genauer zu sein, ein Wasserwesen, weil sie so roch. Sie war eine von den Otterkin, jede Wette.
Sie kämpfte auch wie ein Otter. Hemmungsloser Nahkampf, schnell und heftig, und sie versuchte mit Zähnen und Fingernägeln, mir die Kehle aufzureißen. Glücklicherweise waren wir nicht im Wasser und sie war kein Otter, sondern vom Feenvolk – obwohl sie nach beidem roch.
Schutzzauber haben für mich nie Sinn gemacht. Es ist eine Art von Magie, die das Feenvolk einsetzt, um sein Aussehen zu verändern. Laut Zee ist die Fähigkeit, Schutzzauber einzusetzen, das, was das Feenvolk von anderen Wesen, die auch Magie verwenden, unterscheidet. Schutzzauber sind eine Illusion – aber gleichzeitig auch nicht. Denn mit einem Schutzzauber ist ein vielleicht zwölf Kilo schwerer Otter eine siebzig Kilo schwere Frau.
Taktiken, die für Otter toll funktionieren, funktionieren als Mensch weniger gut, nicht mal als Mensch mit Messer – und ich hatte einen braunen Gürtel in Karate. Ich war nicht hilflos. Allein schon der Gedanke, dass Adam
mich nie wieder ohne Bodyguard aus dem Haus lassen würde, wenn ich jetzt verletzt wurde, sorgte dafür, dass ich entschlossen war, diesen Kampf zu gewinnen.
In den paar Minuten, die wir kämpften, fing ich mir ein paar Verletzungen ein – unter anderem ein ziemliches Veilchen, weil sie mich gegen einen Türknauf schlug, eine geplatzte Lippe und eine blutige Nase. Andererseits brach ich ihr die Nase und während sie die Hände vors Gesicht schlug, landete ich einen wirklich guten Tritt in ihren Rippen. Entweder war eine Rippe gebrochen oder ich hatte ihr ein oder zwei angebrochen. Das sollte sie ein wenig langsamer machen.
Ich hörte Schritte hinter mir und plötzlich tauchte das gerötete Gesicht der vorher so gelangweilten Umkleiden-Dame auf. Als sie uns sah, rief sie: »Was ist hier los?«
Die Otterkin-Frau schrie – nicht vor Angst, sondern vor Wut. Dann verwandelte sie sich in einen Otter, rannte die Wand hinauf zu dem Loch in der Decke und war verschwunden.
Ich drehte mich zu der Angestellten um, während die Witterung sich von hier zu war hier abschwächte. Ihr stand recht unansehnlich der Mund offen, während sie an die Decke starrte.
»Sie kriegen nicht genug Gehalt, um sich damit zu beschäftigen«, erklärte ich ihr mit fester Stimme. Ich lieh mir keine Autorität von Adam, weil ich fürchtete, dass ihm das Sorgen bereiten würde, aber ich weiß, wie er in solchen Situationen klingt, und ich kann es nachahmen, wenn es nötig ist.
»Sie ist weg und wird nicht zurückkommen.« Ich sah mich um und entdeckte, dass wir keinen Schaden hinterlassen
hatten bis auf eine Delle in einer Gipswand, wo ihr Knie gegen die Wand geknallt war. Allerdings war überall Blut, aber ich hätte darauf gewettet, dass Wal-Mart Reinigungsfirmen beschäftigt, die jede Menge Zeug aus Teppichen entfernen können.
Ich schnappte mir die Jeans und die T-Shirts und benutzte das dunkelste T-Shirt, um mir die Nase abzuwischen. Es war kein harter Schlag gewesen und es hatte schon fast aufgehört zu bluten.
»Ich gehe jetzt mal und bezahle das«, sagte ich. »Sie können die anderen Jeans zurückbringen und dann jemanden rufen, der saubermacht.«
Ich stiefelte aus der Umkleide als wüsste ich genau, was ich tat, und zahlte die Kleidung – bar, damit es nicht zu einer peinlichen Hat-ihren-Namen-am-Ort-des-Verbrechens-hinterlassen-Szene kam. Die Kassenfrau war zu sehr damit beschäftigt, meine aufgeplatzte Lippe zu mustern, um zu bemerken, dass eines der T-Shirts blutig war. Als ich meine Rechnung entgegennahm, bemerkte ich eine ganze Gruppe von Angestellten, die sich Richtung Umkleiden bewegte. Zumindest einer von ihnen wirkte alt genug, um etwas zu sagen zu haben.
Ich lächelte die Frau an der Kasse bemüht unschuldig an, schnappte mir meine Tüten und wollte mich so schnell wie möglich absetzen.
»Süße«, sagte die Kassiererin, die vielleicht halb so alt war wie ich. »Jagen Sie diesen Kerl zum Teufel. Sie müssen sich nicht damit abfinden, als Sandsack benutzt zu werden.«
»Es war eine Frau«, erklärte ich ihr. »Und Sie haben vollkommen Recht.«
Ich verließ den Laden mit schnellen Schritten und ging weiter über den Parkplatz, während ich Adam anrief. »Ich habe ein Stück hinter dem Wal-Mart einen Sandwich-Laden
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