Sieh mich an, Al Sony
Pokerspiel gehen, das kann ich Ihnen sagen.«
»Kommen Sie denn? Es wird interessant, meinen Sie nicht auch?«
»Könnte sein.«
»Sie würden ihn dann sehen, hm?«
»Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.«
»Für Ihre Story. Der Mann, der eine Million Dollar Verlor. Eine große Story, hm?«
»Ich habe kein Interesse mehr an dieser Story.«
»Weil Sie wissen, wo die Drams sind?«
»Nein. Das weiß ich nicht. Das habe ich Ihnen gestern schon gesagt.«
Pal hatte sich nicht gerührt. Mit einer Hand kratzte er sich unter dem Hemd, und ich sah die flache, dunkle Behaarung auf Brust und Bauch. Mit der anderen hielt er die Zigarette und zog langsam daran. Er lächelte immer noch, aber ich bekam Angst. Pal Kuthy kannte den Unterschied zwischen Yukata und Kimono nicht, aber er kannte die Wurzeln japanischer Namen. Er lachte gern, aber über nichts wirklich Komisches — so, als ob ein geheimer Witz dieses ständige Grinsen in seinem Gesicht festhielt. Er trug gefälschte Designerklamotten und eine unechte Rolex, aber er hatte eine Million Dollar für Charlies Drams übrig.
»Wollen Sie sich umziehen? Was anziehen?« fragte er.
»Erst müssen Sie gehen.«
»Um die Wahrheit zu sagen: Sie haben recht, so vorsichtig zu sein. So, wie Sie in dem Ding aussehen, könnte ein Mann schon die Beherrschung verlieren. Aber ich, ich hab’ gern mehr Fleisch an einer Frau.«
Bleib noch ein Weilchen in der Gegend, dachte ich, und du wirst dich wundern. Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zukam. Er blieb mitten im Zimmer stehen, eine Hand in der Hosentasche, die Beine gespreizt. Ich wartete mit verschränkten Armen, und er ließ sich eine ganze Weile Zeit, bevor er beiseite trat und mich vorbeiwinkte. Ich ging geradewegs in mein Schlafzimmer, machte die Tür zu und ließ mich schwer auf mein Bett mit der zerknüllten, pfirsichfarbenen Steppdecke fallen, die so gut zu den pfirsichfarbenen Vorhängen paßte, die der vermögende Warren mir ausgesucht hatte. Mein Mund war trocken, ich hatte Kopfschmerzen, und in meinem Magen herrschte ein bösartiges Vakuum. Ich wollte essen und essen, um den Wurm in mir zu füttern. Ich wollte mit Shinichro reden, nicht mit Pal Kuthy. Ich mußte ihm sagen, was ich tun würde. Das war nur recht. Ich saß wahrhaftig in der Patsche — bis über beide Ohren. Ich wünschte, Kuthy hätte Shinichro nie gesehen. Mir gefielen die Schlußfolgerungen nicht, mit denen er auf seine coole, scherzhafte Art um sich warf, und ich hätte mich sicherer gefühlt, wenn ich mit ihm irgendwo in der Öffentlichkeit gewesen wäre. Also setzte ich mich in Bewegung, zog eine Jeans an und eine rote Weste mit der Aufschrift »Trouble« in Weiß und zwei Pfeilen mit den Worten »Hier« und »Dort«. Trouble allenthalben, verflucht. Ich hörte Schritte und spitzte die Ohren. Er stand an der Tür und wollte hereinkommen, mich vielleicht im Slip erwischen. Ich schnappte die MA1-Fliegerjacke, die Warren mir als Teil seines Abschiedsgeschenks hinterlassen hatte, und riß die Tür auf. Pal stand da, wo ich ihn hatte stehenlassen, mitten im Zimmer. Er zündete sich eine neue Marlboro an und grinste.
»Mögen Sie Italienisch?« fragte er.
Ich stopfte mir Knäuel von saucendurchtränkten Nudeln in den Mund, als ob ich seit Weihnachten nichts mehr gegessen hätte.
»Sie glauben, ich bin ein Schurke, nicht wahr?« sagte er.
Ich gab keine Antwort.
»Ich bin aber kein Schurke.«
»Sie haben mir vorhin gedroht.«
»Wirklich?«
»Ja, haben Sie. Das wissen Sie auch.«
»Ich mache nur Spaß.«
»Wozu?«
Er zuckte die Achseln und grinste. »Ich bin kein Schurke. Ich bin ein Mensch, wie man in Ungarn sagt, der die kleinen Türchen findet.«
»Duck dich und schnapp zu«, sagte ich.
»Duck?«
»Nicht wie in >Donald<, sondern wie in >Kopfeinziehen<. Tieffliegenden Geschossen ausweichen, die Gelegenheiten ergreifen, wenn sie sich bieten.«
»Genau. Eine sehr hübsche Formulierung. In Ungarn muß man so sein, bei unserer Mangelwirtschaft.«
»Schwarzmarktwirtschaft.«
»Mangelwirtschaft. Es mangelt an Leuten. Es mangelt an Produkten. Kein Mensch arbeitet in seinem richtigen Job, alle machen Schwarzarbeit. Du willst einen Farbfernseher? Dann mußt du den Verkäufer schmieren. Um mehr zu kriegen, als die Regierung dir gibt, um vorwärtszukommen, muß man die kleinen Türchen finden. Um zu überleben, muß man das tun.«
»Ist es das, was Sie machen? Überleben? Eine Million Dollar in bar, das ist aber mehr als Überleben,
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