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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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seinem Nachmittagsausflug ins Krankenhaus erzählte. Dorthin hatte er seine Mutter, Zia Tina, gefahren, die sich den Kopf angeschlagen hatte, nachdem sie auf einer Olive ausgerutscht war. Der Arzt hatte Antonio gebeten, ein Dokument zu unterschreiben, auf dem bei näherem Hinsehen stand, dass man ein CT gemacht habe. Das war jedoch eindeutig nicht der Fall. » Mi sono sciroccato «, sagte Antonio und beschrieb damit treffend, dass ihn diese Unverschämtheit ebenso wild und hitzig gemacht habe wie den afrikanischen Wind.
    »Du hättest dem Arzt beinahe den Kopf eingeschlagen, bis er ausgesehen hätte wie meiner«, sagte seine Mutter der Genauigkeit halber.
    Als Daniela dann noch meinen Pädophilen-Versprecher zum Besten gab, prustete Zio Tonio eine Whiskeyfontäne hervor. Alle Hangbewohner brüllten vor Lachen. » Bellissimo! «, sagten sie unisono. » Straodinario! « Antonio wand sich beinahe auf dem Boden. Sie hielten sich den Bauch vor Lachen und klopften sich auf die Schenkel. Ohne es darauf anzulegen, hatte ich ihre Herzen gewonnen.
    Die Einzige, die nach dem Abendessen nicht wieder in den Garten gekommen war, war die kostbare Tochter von Valerias Schwager, Marisa. Die langbeinige Fünfzehnjährige ging ihrem besitzergreifenden Vater Fabio aus dem Weg. Der war wütend auf sie, weil sie sich weigerte, das Handy zurückzugeben, das sie von ihrem Freund bekommen hatte. Weil Fabio fest davon überzeugt war, dass sie der Freund damit nur kontrollieren wolle, hatte er darauf bestanden, dass sie sich nicht mehr mit ihm traf, und dem Mädchen Hausarrest gegeben. Das zog einen sizilianischen Streit nach sich, den man noch bis Tunesien hörte.
    Fabios Sorge und der Hausarrest schienen durchaus berechtigt zu sein, wenn man weiß, dass mehr Italiener von ihren Freunden als von ihren Feinden getötet werden. Am letzten Wochenende waren drei Frauen von ihren verschmähten Liebhabern umgebracht worden, die daraufhin selbst Hand an sich legten, einer angeblich mit einem Bohrer – die italienische Variante von Do it yourself . In den letzten acht Jahren haben so 900 Menschen den Tod gefunden. Italienische Beaus sind sehr besitzergreifend, was ihre Belles angeht. Als die Regierung eine elektronische Fußfessel für Gefangene unter Hausarrest vorschlug, interessierten sich die Gefängnisverwaltungen weniger dafür als eifersüchtige Männer, die sie für ein weitaus besseres Überwachungsinstrument hielten als das Handy, das man bekanntermaßen ausschalten oder ignorieren kann, wenn man »anderweitig beschäftigt« ist.
    Valerias Garten war unser Lieblingsplatz. Hier konnte man die Abendbrise genießen, hatte einen herrlichen Blick aufs Meer, und noch dazu war er umzäunt, sodass sich Valeria entspannen konnte, wenn Franco auf Wanderschaft ging. Mit seiner von einer Windel ausgebeulten Hose ging er zwischen den Stühlen umher und blieb immer wieder stehen, um Kiesel in seine Taschen zu stecken, irr zu lachen oder den Besenbaum mit Flüchen zu überziehen. Gegen Mitternacht gab ihm Valeria irgendein Medikament, das ihn bis zum nächsten Tag ruhig stellte. » Buona notte Franco «, sagten wir, als Valeria ihn zum Haus führte. Er tappte hinter ihr her wie ein alter Hund an einer ausgefransten Leine, ein trauriges Ende für einen so heiteren Abend. Kurz darauf gingen auch die Tanten, Onkel und Großeltern nach Hause und ließen die »Kinder« zum Kartenspielen allein. Wir spielten ein Spiel namens Scopa , nicht mit einem normalen Kartenspiel, sondern mit einem sizilianischen. Es gibt vier Farben, bestehend aus Schwertern, Münzen, Kelchen und Keulen – nicht die dreiblättrige Variante, sondern eher eine, die ein Steinzeitmensch dabeihat. Das Ziel des Spiels besteht darin, möglichst viele Karten vom Tisch einzusammeln, die zusammen dieselbe Punktzahl ergeben wie die der Karte, die man in der Hand hat. Scopa ist Italiens beliebtestes Kartenspiel und schnell gelernt. Laut einem berüchtigten Handbuch gibt es nur eine Regel: »Versuch immer, deinem Gegner in die Karten zu schauen.«
    Zu einer Uhrzeit, zu der ich in Sydney schon langsam ins Bett ging, fing der Abend auf Sizilien erst an. Gegen ein Uhr nachts befanden wir uns wieder im Konvoi, angelockt vom Strand, der uns frische Luft und ein gelato versprach. Dort liefen jede Menge Schlaflose die Seepromenade auf und ab. Es waren Hunderte, die sich gegenseitig beäugten, ein Hindernislauf von Narzissten, die von Vespas und anfahrenden Autos bedrängt wurden. Bei Sonnenaufgang waren

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