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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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wohnt ein Paar namens Guerra e Pace – Krieg und Frieden. Zum Glück ist ihr Nachbar ein gewisser Salvatore Capace – ein fähiger Retter, falls Herr Krieg in der Wohnung nebenan einmal die Oberhand gewinnen sollte.
    Italienische Nachnamen sind am komischsten, wenn ihre Bedeutung eine Eigenschaft ihres Trägers widerspiegelt, so als habe sie auf ihn abgefärbt. Es ist schwer, mehr als ein paar höfliche Worte aus Danielas altem Schulfreund Davide Timido (David Schüchtern) herauszubringen, und Valerias Freundin Stefania Frigida blieb ihr Leben lang ledig. Auch äußere Umstände können die wortwörtliche Bedeutung eines Nachnamens komisch wirken lassen. In den Abendnachrichten sah ich einmal Giovanni Lava, der vom Ätna aus berichtete, nachdem dieser ausgebrochen war. Allerdings hatte ich mich in Sydney auch schon von einem Dr. Tan (Bräune) auf Hautkrebs hin untersuchen lassen – so gesehen sind Italiener da keine Ausnahme.
    Mein Lieblingsbuch auf Italienisch ist das Telefonbuch. Es macht mir einen Riesenspaß, darin nach neckischen Namen zu suchen und mich zu fragen, was sie wohl über ihren Träger aussagen. Ob Elvio Mezzogufo – Elvis Halbeule – wohl an Schlafstörungen leidet? Ist Crucifisso San Filippo – Kruzifix Heiliger Philipp – religiös? Bekommt Signor Massimo Peloso – Herr Max Haarig – eine Glatze? Und hat Pietro Calvo – Peter Kahl – einen dichten Wuschelkopf?
    Manche Italiener haben Namen mit einer positiven Bedeutung wie Marco Magnifico – Markus Großartig – oder Maria Bella – Maria, die Schöne. Aber lassen Sie sich mal so etwas wie Carla Vacca – Karla Kuh – und Anna La Rana – Anna, der Frosch – auf der Zunge zergehen! Hat Letztere vielleicht einen Sohn namens Kermit? Zu Annas großem Glück neigen die Italiener dazu, die Bedeutung ihrer Namen zu ignorieren, mit Ausnahme von Italiens berühmtestem Industriellen und Playboy, Gianni Agnelli, der viele Jahre den Fiatkonzern leitete. Bevor Das Schweigen der Lämmer in Italien herauskam, wollte Agnelli, dessen Nachname wortwörtlich »Lämmer« bedeutet, verhindern, dass man seinen Namen mit dem Film in Verbindung bringt, und sorgte dafür, dass der Titel in Das Schweigen der Unschuldigen geändert wurde. Wenn alle Lämmer so viel Macht haben, wären wir wahrscheinlich alle Vegetarier.
    Als der Postbote mit dem Sortieren fertig war, lagen mehr Briefe auf den Briefkästen als darin. In Francescos Briefkasten fand ich einen Umschlag, der »an den Süditaliener« adressiert war. Er enthielt ein Gedicht mit dem Titel Preghiera per i terroni – Ein Gebet für die Bauern. Terroni ist ein abwertender Begriff, der wortwörtlich »Erdmensch« bedeutet und auf alle Süditaliener gemünzt ist, die Norditaliener als unzivilisiert empfinden. Der Postbote hatte den unfrankierten Hassbrief nicht zugestellt, also musste ihn jemand aus dem Haus eingeworfen haben, der Francesco, Daniela und vielleicht auch mich aufgrund unserer jeweiligen Herkunft unsympathisch fand.
    Da mein kleines Päckchen immer noch in der großen weiten Welt herumschwirrte, kehrte ich in die Wohnung zurück und musterte meine lächerlichen nur zur Hälfte abrasierten Bartstoppeln im Spiegel. Ich wartete auf Danielas Rückkehr, damit sie mir das Gedicht übersetzen konnte. Als ich ihr den Titel nannte, lachte sie, doch das Lachen verging ihr, als sie die Zeilen überflog.
    Preghiera per i terroni
     
    Oh mio caro buon Gesù
Fa che non ce ne siano più.
Fagli capire che non sono voluti
E pulisci l’Italia da questi cornuti.
Da Roma in giù un grande ciclone
Che cancelli per sempre i dannati terroni.
Pioggia, vento e temporali
Solo e soltanto sui meridionali.
    Ein Gedicht zu übersetzen ist schwerer, als es zu schreiben, aber rein inhaltlich lautete der Text in etwa so:
     
    Oh lieber Herr Jesus.
Mach, dass es keine mehr gibt.
Mach ihnen klar, dass sie hier nicht erwünscht sind
Und säubere Italien von diesen Gehörnten.
Südlich von Rom soll ein Riesenzyklon
Die verdammten terroni ausradieren.
Regen, Wind und Stürme
Sollen ausschließlich Süditaliener heimsuchen.
     
    Ein befreundeter Mailänder bemerkte dazu scharfsinnig: »Ausländer halten Italiener normalerweise nicht für Rassisten. Dafür hegen wir so viele Vorurteile gegen unsere eigenen Landsleute, dass wir einfach keinen Hass mehr für Ausländer übrig haben. Wir wären die besten Rassisten der Welt, wenn nur so viele Ausländer herkämen, wie Italiener ins Ausland gegangen sind, Übung haben wir

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