Sigi Wulle 2 - Sigi Wulle auf dem Kriegspfad
Ich ließ die Leiter hinab und stieg mit ihm von dem Gestell, das uns nur Unglück gebracht hatte. Auf festem Boden suchte ich mir ein trockenes Plätzchen, um mich darauf niederzulassen und eine Weile über unser Pech zu schimpfen, bis ich schließlich einsah, daß nicht das Schicksal, sondern unsere Unfähigkeit die Ursache unseres Mißerfolgs gewesen war.
Auch Indianer kann man nicht mir nichts, dir nichts werden, indem man einige Hühnerfedern ins Haar steckt oder bunte Fransen an die Hosen näht. Auch diese Menschen mußten, als sie den amerikanischen Kontinent bejagten, erst in mühsamem Training viele Tricks und Kniffe lernen, zum Beispiel auch, wie man ein Wild odereinen Feind anspringt und überwältigt. Vielleicht sind wir Weißen zu angeberisch, wenn wir meinen, alles gleich zu beherrschen, nur weil wir uns Schneller Pfeil oder Häuptling Hängende Unterlippe nennen.
Nachher wundern wir uns zu Unrecht über unsere Pleite.
Ich war niedergeschlagen und ratlos, denn trotz guten Zuredens wollte sich kein guter Gedanke in meinem Hirn entwickeln. Schließlich gab ich es auf, über meine Lage zu sinnieren und wie ich mich aus der Affäre ziehen könnte. Ich ruhte mich erst einmal aus und schlief trotz Kälte und überstandener Aufregung ein. Gleich träumte ich wieder von dem mit feinsten Leckerbissen bedeckten Tisch, den ich auch diesmal nichterreichte, da meine Arme wie gelähmt waren...
Als ich erwachte, machte ich mir gleich Vorwürfe, weil ich mich nicht sofort auf die Suche nach Onkelchen begeben hatte. Das holte ich nun unverzüglich nach. Ich klemmte die Tasche mit Strups unter den Arm, dem ich ein Büschel Gras hineinwarf, und durchstreifte das ganze Gebiet. Obwohl mich der Hunger entsetzlich quälte, stieg ich die Hügel hinauf, rannte auf der anderen Seite hinab und rief immer wieder Onkel Edis Namen. Lange antwortete niemand. Am liebsten hätte ich geheult, wenn ich kein Junge gewesen wäre und ich nicht erkannte hätte, daß es den Elstern, die manchmal hinter mir herkrakeelten, egal ist, ob so ein Junge vor Verzweiflung heult oder nicht.
Endlich vernahm ich ein Geräusch, das sich wie ein Stöhnen anhörte. Es drang aus einer Fichtenschonung, die von Farnkraut und Himbeersträuchern durchwachsen war. Ich rannte los in der Hoffnung, meinen Onkel wiederzufinden, und war entsetzt, als ich plötzlich vor Black Joe stand. Der amüsierte sich darüber, mich hereingelegt zu haben, hockte auf einem Baumstumpf und spielte dabei mit einem Messer.
„Was sucht Schneller Pfeil?“
Ich stand wie erstarrt und überlegte, ob es nicht besser wäre, dem Kerl zu sagen, daß ich nicht Schneller Pfeil, sondern Sigi Wulle heiße und auch Onkel Eduard und Tante Berta gewöhnliche Bleichgesichter sind; doch es erschien mir zu riskant, weil ich nicht wußte, wie er darauf reagieren würde. Ich wollte weder mich noch meine Helfer in noch größere Gefahr bringen.
„Dich, großer Held der Prärie!“ antwortete ich deshalb und verbeugte mich, was ihm gut zu gefallen schien.
„Und was verlangst du von mir. junger Krieger?“
„Ich bitte um die Freilassung von Häuptling Hängende Unterlippe und von Roter Klatschmohn.“
Black Joe betrachtete mich lange mit dunkelbraunen, fast schwarzen Augen, grinste manchmal, wobei ich eine Zahnlücke bemerkte, schob den breitkrempigen Hut zurück und kratzte sich an der Schläfe.
„Woher hast du Sommersprossen und rotes Haar?“ frage er unvermittelt. „Ich habe so viele Bücher gelesen und Filme gesehen, aber dabei nie einen rothaarigen Indianer entdeckt.“
„Danach mußt du dich bei meinem Vater erkundigen, tapferer Trapper!“ entgegnete ich.
Meine Antwort schien ihm Spaß zu machen, denn er lachte lange, ehe er wieder nach meinen Wünschen fragte, worauf ich noch einmal um die Entlassung meiner Begleiter bat.
„Ich möchte nicht, daß meine roten Freunde das Kriegsbeil ausgraben, denn ich habe bereits zu viele Feinde“, sagte er nachdenklich. „Deshalb bin ich bereit, den Häuptling Hängende Unterlippe freizulassen.“
„Wo befindet er sich?“ fragte ich schnell.
„Ich habe ihn an die große Eiche auf dem Kuckucksberg gebunden. Dort kannst du ihn abholen.“
„Hab Dank, edler Black Joe!“ sagte ich mit einer Verneigung.
„Teil ihm aber mit, daß er den Kriegspfad verlassen und die Friedenspfeife mit mir rauchen soll!“ befahl er mir.
„Das wird er erst tun, wenn du auch meine Ta..., äh, wenn du auch Roten Klatschmohn freiläßt.“
„Das ist
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