Sigi Wulle 2 - Sigi Wulle auf dem Kriegspfad
bleich wie ein Käse geworden war, stand nun über uns am Himmel und war von unzähligen Sternen umgeben, die ich ganz still bewunderte, bis mir, was gar nicht lange dauerte, die Augen zufielen.
Kapitel 13
Ich hockte vor einem Tisch, der über und über mit feinsten Leckerbissen bedeckt war, und ausgerechnet mit meinen Lieblingsspeisen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, und ich bemühte mich, etwas von den Köstlichkeiten zu schnappen, wenigstens einen Riegel Marzipan oder eine Tafel Nußschokolade; doch es gelang mir nicht, denn irgend jemand hielt mich fest und schüttelte mich grob an der Schulter, und je gröber er mich schüttelte, desto mehr entfernte sich der Tisch, den ich schon gar nicht mehr erreichen konnte.
„ Aufstehn !“ zischte der Kerl hinter mir, dessen Atem nicht angenehm roch. „ Aufstehn , verdammt noch mal!“
„Nein!“ wimmerte ich. „Erst will ich was essen!“
„Red keinen Quatsch!“
„Erst essen!“ wiederholte ich.
„Aber da ist doch gar nichts Eßbares!“ Tatsächlich war der Tisch nun völlig verschwunden, und als ich die Augen öffnete, stellte ich fest, daß ich bloß geträumt hatte. Ich lag auf der Bank des Hochstandes, und Onkel Eduard versuchte, mich so schnell wie möglich hochzukriegen. Mit gutem Grund, wie ich gleich feststellte: Ein Reiter trabte den Weg herab, den man trotz der noch herrschenden Dämmerung als Black Joe identifizieren konnte. Er war unverkennbar mit breitkrempigem Cowboy-Hut, Stiefeln und schwarzem Schnurrbart ausgestattet und brummte einen amerikanisch getexteten und deshalb unverständlichen Western-Song.
„Eine Erscheinung!“ flüsterte ich.
„Fast glaube ich’s auch!“ raunte Onkelchen.
„Doch wenn er es wirklich wäre?“
„Deshalb hab’ ich dich geweckt, Sigi. Ist er’s?“
„Wenn ich ja sage, gibst du mir die Schuld, falls es wieder nicht stimmt.“
„Nein, Sigi. Keine Vorwürfe. Ist er’s?“
Ich zwickte mich in den Hintern, um festzustellen, ob ich auch wirklich bei Sinnen war. Da es schmerzte, gab es für mich keinen Zweifel, unseren waschechten Banditen im Blickfeld zu haben. Ich sagte Onkelchen jetzt, ohne zu zögern, meine Meinung. Zeit durften wir nämlich nicht mehr verlieren, weil unser Gegner in spätestens einer Minute unterhalb des Hochstandes passieren und dann vielleicht auf Nimmerwiedersehn verschwinden würde.
„Was sollen wir tun?“ fragte Onkel Edi ganz aufgeregt.
„Wenn du ihm in offenem Kampf gegenübertrittst, kriegst du wieder nur Dresche“, entgegnete ich.
„Was aber könnte man sonst unternehmen?“
„Richtige Indianer würden ihn wohl aus dem Hinterhalt anspringen.“
„Von hier oben hinab?“ flüsterte Onkelchen und machte eine weinerliche Miene dazu. Er
schien sich an seinen ersten Sturz zu erinnern.
„Der Schrecken und die Wucht des Aufpralls würden...“ Ich mußte schweigen, denn Black Joe war schon ganz in der Nähe.
Nur flüchtig blickte ich in die Ledertasche, in der Strups ahnungslos ruhte. Dann sah ich, daß Onkel Eduard den Entschluß gefaßt hatte zu springen. Ich nahm mir vor, kurz nach ihm das gleiche zu tun, denn er stand auf der Seite, von der unser Gegner herantrabte. Sekunden höchster Aufregung!
Ahnungslos einen Song brummend, ritt der Räuber unter uns hindurch. Onkelchen hechtete, anscheinend ein klein wenig zu früh. Ich machte einen Satz, leider ein klein wenig zu spät, so daß ich, wie abends zuvor mein Mitstreiter, recht unsanft im Gestrüpp landete. Von dort aus mußte ich beobachten, wie Black Joe, fest und sicher auf dem Gaul sitzend, den Weg hinabgaloppierte und Onkelchen, der vor ihm quer über dem Sattel lag, mit allen vieren zappelte und wie am Spieß schrie. Aber es half nichts, der Grobian schleppte ihn davon.
Ich rief ihm einige so unanständige Ausdrücke nach, daß ich sie nicht aufzuschreiben brauche, weil man sie doch nicht drucken würde. Vielleicht hatte Black Joe, der in der Dämmerung verschwand, sie gar nicht verstanden, denn er hätte sich meine Frechheit gewiß nicht gefallen lassen Dann krabbelte ich mühsam aus dem Dornengerank, das meine Arme und Beine noch mehr zerkratzt hatte, humpelte zum Hochstand und stellte fest, daß die Leiter ja noch hochgezogen war. Und oben hockte Strups, mein liebes Meerschweinchen. Ich hätte auf alles eher verzichtet als auf ihn, also blieb mir nichts anderes übrig, als mit zerschundenen Gliedern hinaufzuklettern. Zum Glück fand ich den Strups ebenso zufrieden wie vor unserem Abenteuer.
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