Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
wandte sich den drei neben ihr stehenden Lehrern zu. »Sperren Sie sie in den Schlafsälen ein. Unter strenger Bewachung. So lange, bis die Angelegenheit geregelt ist.«
Sie stieg die Treppe hoch und verließ die Aula, gefolgt von Borsakow. Der Mann mit dem pockennarbigen Gesicht reichte ihr nur bis zu den Schultern. So hatte sie es gern. Sie mochte Männer, die kleiner waren als sie. Allerdings war er ausgesprochen muskulös, und bisweilen ertappte sie sich dabei, dass sie ihn voller Verlangen musterte. Auch das gefiel ihr.
Auf dem Weg zum Ausgang der Schule hielt er sich einen Schritt hinter ihr. Draußen erwarteten sie zwei seiner Männer. Einer hielt einen russischen Wolf an der Kette. Das Tier knurrte und bleckte die scharfen Zähne. Der Wachmann riss an der Kette und schimpfte ihn aus.
Sawina machte einen weiten Bogen um das kräftige Tier. Es war eine Mischung aus russischem Wolfshund und sibirischem Wolf und reichte Borsakow fast bis zur Brust. Der Hund stammte von der Tierforschungseinrichtung, die sie als Menagerie bezeichneten. Dort experimentierten sie mit neuen Implantaten und testeten verschiedene Einsatzmöglichkeiten, wobei alle möglichen höheren Säugetiere eingesetzt wurden: Hunde, Katzen, Schweine, Schafe, Schimpansen. Außerdem
diente die Menagerie als makaberer Streichelzoo für das Dorf. Im Laufe der Jahre hatten sie festgestellt, dass die Kinder eine intensive Beziehung zu den Tieren entwickelten, was dazu beitrug, sie psychisch zu stabilisieren. Vielleicht handelte es sich auch gar nicht ausschließlich um Mensch-Tier-Beziehungen, sondern um Verbindungen von Implantat zu Implantat, denn die stellten eine Gemeinsamkeit dar.
Auch der Wolf hatte eine Stahlplatte im Schädel.
Das Implantat deckte die Schädelbasis ab, war mit Titanschrauben befestigt und über Elektroden mit dem Gehirn verschaltet. Drückte man eine Taste der Fernsteuerung, konnte man dem Tier Schmerz zufügen oder ihm Lust bereiten, es aggressiv oder fügsam machen, die Sinneswahrnehmung dämpfen oder sie stimulieren.
»Was haben Sie herausgefunden, Leutnant?«, fragte sie.
»Die Kinder sind nicht mehr in der Höhle«, antwortete er.
Sie blieb stehen und wandte sich um.
»Wir haben das ganze Dorf durchsucht, auch den leer stehenden Wohnkomplex. Als wir den weiteren Umkreis absuchten, stießen wir an der rückwärtigen Mauer, hinter der Tierforschungseinrichtung, auf eine Fährte, die zu einer Wartungsluke und an die Oberfläche führte.«
»Sie sind nach draußen geflüchtet?«
»Wir glauben, der Amerikaner aus dem Krankenhaus ist bei ihnen. Die Fährte der Kinder kam von dort.«
Damit war zumindest eine Frage beantwortet. Nicht der Amerikaner war geflohen und hatte die Kinder mitgenommen. Es verhielt sich genau andersherum. Die Kinder hatten ihm bei der Flucht geholfen.
Aber warum?
Was hatte es mit dem Mann auf sich?
Diese Frage beschäftigte Sawina, seit man den Fremden hierhergebracht hatte. Vor zwei Monaten hatte der russische
Geheimdienst von einem verseuchten Kreuzfahrtschiff erfahren, das im Indonesischen Meer von Piraten gekapert worden war. Geheimdienste aus aller Welt hatten danach ge - sucht. Man hatte sie gefragt, ob ihre Versuchsobjekte bei der Suche behilflich sein könnten. Ein Test. Den sie bestanden hatte. Die zwölf Omegas waren aktiviert worden und hatten die Insel bezeichnet, wo das Schiff versteckt wurde. Ein russisches U-Boot hatte die Lagune in dem Moment erreicht, als das Schiff gesunken war.
Trotzdem war es ein voller Erfolg gewesen - doch dann hatte Sascha so fieberhaft zu zeichnen begonnen, dass ihr Implantat beinahe durchgebrannt wäre. Ein Dutzend Bilder aus einem Dutzend verschiedener Blickwinkel, die einen Ertrinkenden zeigten, der von einem Netz in die Tiefe gezogen wurde. Da Sawina das für wichtig hielt - und weil ihre Neugier geweckt war -, hatte sie das russische U-Boot alarmiert. Der Kommandant hatte bereits Taucher im Wasser gehabt.
Sie hatten den Mann gefunden. Er hatte sich im Netz verfangen und war kaum noch bei Bewusstsein. Man hatte ihn mit einem Tauchschlitten geborgen, ihm ein Atemgerät an den Mund gedrückt und ihn dann ins U-Boot gebracht.
Sawina hatte angeordnet, den Mann hierherzubringen, da sie glaubte, er sei von Bedeutung. In Tscheljabinsk-88 angekommen, hatte er jedoch behauptet, er wäre einer der Bordelektriker des Kreuzfahrtschiffs. Beim Verhör machte er keinen besonders intelligenten Eindruck. Er war einfach nur ein verängstigter, grobschlächtiger
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