Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
sie. Hoffentlich hatten sie die Verfolger endgültig abgeschüttelt. Er schaute über die Flussbiegung hinweg.
In der Ferne schimmerte in der Sonne der weiße Marmor des Mausoleums; friedlich und von den Zeitläuften unberührt, schlummerte es am Rand des spiegelnden Wassers.
Gray wandte dem Tadsch Mahal wieder den Rücken zu.
Nur die Toten hatten einen so friedlichen Schlaf.
Als er auf dem Rücksitz Platz nahm, machte Masterson seiner
Empörung Luft. »Was haben Sie mit meinem Spazierstock gemacht?«
Gray ließ sich auf den Sitz fallen. Der Elfenbeingriff aus dem achtzehnten Jahrhundert war blutig. Die kostbaren Schnitzereien waren bei der Rutschpartie am geflochtenen Draht entlang abgeschliffen worden.
»Der Stock ist unser kleinstes Problem, Professor«, meinte Gray.
Während die Limousine losfuhr, funkelte Masterson ihn böse an.
Gray zeigte auf das verbundene Ohr des Mannes. »Jemand wollte Sie umbringen, Dr. Masterson. Ich wüsste gern, warum .«
10
6. September, 7:45 Washington, D.C.
»LAUTER OFFENE FRAGEN«, bemerkte Trent McBride. »Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen.«
Juri sah, dass der Mann ihn anschaute, zuckte aber nicht einmal zusammen. Sollten sie ihn doch umbringen. Ihm war es egal. Juri saß auf einem Bürostuhl. Nachdem man die Elektroden entfernt hatte, war es ihm gestattet worden, sich anzukleiden. Die Höllenqualen hatten noch zwanzig Minuten angedauert. Er hatte nichts verschwiegen. Er hatte alles preisgegeben, sämtliche Details zu den Genen der Kinder, dem Geheimnis, das er und Sawina vor den Amerikanern geheim gehalten hatten.
Er hatte sogar verraten, weshalb die Russen keine Einwände gegen Dr. Archibalds Anwerbung gehabt hatten. Juri erklärte, Polk sei dem genetischen Geheimnis auf die Spur gekommen. Sawina habe während Polks Aufenthalt im Bau einen Unfall inszenieren wollen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Bei diesem Spiel mit höchstem wissenschaftlichen Einsatz hatten er und Sawina jedoch nicht damit gerechnet, dass Polks Kollege und Freund ihm zur Flucht verhelfen würde, um eines ihrer Kinder nach draußen zu locken.
Sawina hatte auf den Köder angebissen. Dass Polk mit dem Schädel, den McBride ihm überlassen hatte, entkommen war, beunruhigte sie kaum. Dass er über das genetische Geheimnis Bescheid wusste, versetzte sie jedoch in Panik und veranlasste sie, Juri und Sascha auf Polk anzusetzen. Sie war dem Amerikaner in die Falle getappt.
»Offene Fragen?«, wiederholte Mapplethorpe und riss ihn damit aus seinen Überlegungen. Er schüttelte unbekümmert den Kopf. »Ich sehe nur drei. Das Mädchen, der Affenschädel und die Fährte, die Polk in Indien hinterlassen hat. Letzteres Problem wurde bereits in Angriff genommen. Und in Geheimdienstkreisen wird gemunkelt, der vermisste Affenschädel könnte auf geheimnisvolle Weise bald wieder auftauchen.«
»Wie haben Sie das geschafft?«, fragte McBride.
»Sie müssen das Wasser nur zum Kochen bringen, dann werden Sie sich wundern, was da alles zum Vorschein kommt.«
»Und das Mädchen?«
Juri merkte auf. Mapplethorpe blickte ihn kurz an. Juri wusste, dass Sascha der einzige Grund war, weshalb er noch am Leben war. Mapplethorpe brauchte ihn, denn er wusste Bescheid über ihren körperlichen Zustand, ein Problem, das alle Kinder betraf. Der Stress der mentalen Manipulation hatte körperliche Auswirkungen auf die Versuchsobjekte. Nur wenige erlebten ihren zwanzigsten Geburtstag, zumal die begabtesten unter ihnen. Deshalb waren sie gezwungen, Eizellen und Sperma zu sammeln, um die stärkste genetische Linie lebensfähig zu erhalten.
Mapplethorpe seufzte. »Ich denke, wir werden das Mädchen bis Sonnenuntergang wieder zurückgeholt haben … wenn nicht schon eher.«
Das wäre immer noch zu spät , dachte Juri.
Die Amerikaner waren zu einfach gestrickt, denn sie glaubten, was sie unter Folter aus einem herausholten, sei schon
die ganze Wahrheit. Juri hatte zwar nicht gelogen, doch er hatte sich einer Unterlassungssünde schuldig gemacht. McBride hatte einfach nicht die richtige Frage gestellt, so selbstgewiss war er gewesen in seinem sadistischen Vertrauen auf die Macht der Schmerzen.
Juri ließ sich nichts anmerken. Man hatte versucht, ihn mit der Folter zu brechen, doch er war ein alter Mann und war es gewohnt, Geheimnisse zu wahren. Die Amerikaner hatten es lediglich geschafft, ihn für das Kommende weiter zu verhärten. In den vergangenen Monaten hatte er zunehmend Vorbehalte gegenüber Sawinas Plänen
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