Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
entwickelt.
Das war nur natürlich.
Millionen Menschen würden einen grauenhaften Tod erleiden.
Und das alles nur, damit eine neue Welt entstehen konnte.
Eine Wiedergeburt.
Juri betrachtete Mapplethorpes selbstzufriedenes Lächeln und McBrides zuversichtlich strahlende Augen.
Seine Zweifel verflüchtigten sich.
Sawina hatte recht.
Es war an der Zeit. Die Welt musste brennen.
14:55 Südural
GENERALMAJORIN SAWINA MARTOWA spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie spürte es in den Knochen, eine unbestimmte Angst. Sie konnte nicht länger im Büro bleiben. Sie musste sich irgendwie beruhigen.
Das Funkgerät ans Ohr gedrückt, geleitete sie zwei Soldaten über die dunklen, menschenleeren Straßen, die zwischen den
Wohnblocks aus der Sowjetzeit verliefen, welche die hintere Hälfte der Höhle einnahmen, in der Tscheljabinsk-88 untergebracht war. In den gesichtslosen Betonklötzen zu beiden Seiten der Straße waren ursprünglich die Zwangsarbeiter untergebracht gewesen, die in den Bergwerken und weiterverarbeitenden Fabriken beschäftigt gewesen waren. Man hatte den Männern zugesagt, ihnen ihre lebenslange Haftstrafe zu erlassen, wenn sie sich verpflichteten, fünf Jahre hier im Gulag zu arbeiten. Die meisten waren an Strahlenschäden gestorben, ehe die fünf Jahre um waren.
Ein sinnloses Lotteriespiel, doch die Hoffnung vermochte jeden vernünftigen Menschen zu irrationalem Handeln zu verleiten. Dieses Erbe hatte sie übernommen. Es diente ihr zur steten Mahnung.
Andere Menschen hielten sie für grausam, doch bisweilen zeigte die Notwendigkeit eben dieses Gesicht. Die Kinder waren wohlgenährt und litten auch sonst keine Not. Die Schmerzen wurden so gering gehalten wie nur möglich.
Und das sollte grausam sein?
Sie musterte die verlassenen Wohnungen, die finsteren, kalten, unheimlichen Fensterhöhlen.
Sie sah darin nichts weiter als Notwendigkeit.
Das Funkgerät knackte, dann meldete sich Leutnant Borsakow. Bislang hatte sie von ihrem Stellvertreter nur Negativmeldungen bekommen. Er suchte noch immer die umliegenden Berge und Hügel nach den Kindern ab. Er war durch mehrere falsche Fährten in die Irre geleitet worden und hatte ein weggeworfenes Nachthemd entdeckt.
»Wir haben zwei tote Hunde gefunden«, sagte Borsakow. »Am Fluss. Sie waren vollkommen zerfetzt. Von einem Bären. Aber wir sind auf eine deutliche Fährte gestoßen.«
»Was ist mit den Raubkatzen?«, fragte sie.
Einen Moment lang herrschte Funkstille.
»Leutnant«, sagte sie mit größerer Entschiedenheit.
»Ich wollte sie erst dann loslassen, wenn wir ihre Spur aufgenommen haben. Wenn die Tiger in den Hügeln umherstreifen, sind die Hunde ihres Lebens nicht mehr sicher.«
Sosehr er sich um einen nüchternen Tonfall bemühte, entging Sawina doch nicht seine Anspannung. Der Leutnant war um die Hunde nicht minder besorgt als um die Kinder.
Weshalb musste immer sie die harten Entscheidungen treffen?
In scharfem Ton sagte sie: »Aber jetzt haben Sie eine heiße Spur gefunden, nicht wahr, Leutnant?«
»Jawohl, Generalmajorin.«
»Dann enttäuschen Sie mich nicht noch einmal.«
»Zu Befehl, Generalmajorin.«
Sie unterbrach die Verbindung. Vielleicht war sie ein wenig zu grob gewesen, doch andererseits hatte sie in der vergangenen Stunde schon genug verstörende Nachrichten gehört.
Ein Wartungsarbeiter aus der nahe gelegenen Stadt Ozyorsk hatte einen der ausgemusterten Laster des Baus entdeckt, mit dem man radioaktiven Abfall aus einer Urananreicherungsfabrik zum Karatschai-See transportiert hatte. In der Kabine hatte der Mann eine gefälschte Ausweiskarte mit Dr. Archibalds Foto gefunden.
Damit war die Frage beantwortet, wie der Professor die Flucht bewerkstelligt hatte.
Jemand hatte ihm geholfen.
Sie brauchte nicht lange zu überlegen, um darauf zu kommen, wer ihm bei der Flucht geholfen hatte. Es musste Dr. Trent McBride gewesen sein. Welches Spiel spielten die Amerikaner? Da Juri sich noch immer nicht gemeldet hatte, musste sie davon ausgehen, dass er und das Mädchen gefangen genommen worden waren. Vielleicht hatte man ihre Flucht auch nur deshalb bewerkstelligt, um sie festzunehmen.
Wenn dem so war, musste Sawina McBride Respekt zollen.
Genau wie sie hatte auch er ein Gespür für das Notwendige .
Es wäre besser gewesen, sie hätte sich gar nicht erst auf eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten eingelassen. Doch damals hatte sie keine andere Wahl gehabt. In dem auf den Zusammenbruch der Sowjetunion folgenden
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