Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
genauer angesehen. Die genetischen Hinweise verwiesen auf diese Hügel, doch ich glaube, es steckt noch mehr dahinter.«
Elizabeth runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit?«
»Ich bin mir nicht sicher. Sein Interesse an dieser Region erreichte vor zwei Jahren seinen Höhepunkt. Er stellte die Breitenuntersuchungen in ganz Indien ein und konzentrierte sich fortan ganz auf diese Gegend.« Der Professor blickte sich zu Luca um. »Und auf die Zigeuner.«
Elizabeth vergegenwärtigte sich die damalige Zeit. Sie hatte
gerade in Georgetown promoviert. Damals hatte sie kaum Kontakt mit ihrem Vater gehabt. Und auch keine Geduld. Die seltenen Telefonate waren meistens kurz gewesen. Hätte sie gewusst, was er neben seiner Forschung sonst noch machte, wäre vielleicht manches anders gelaufen.
In der Dorfmitte angelangt, wurden sie freundlich begrüßt und zum Essen aufgefordert. Die Speisen waren bereits aufgetragen - Roti, das indische Fladenbrot, Reis, gedünstetes Gemüse, kleine Pflaumen und dicke Datteln, Schüsseln mit Buttermilch - einfache Speisen, aber die Gastfreundschaft kam von Herzen. Eine kniende Frau rührte eine Linsensuppe um, die auf einem hufeisenförmigen Ofen stand. Ihre Tochter legte aus einem Eimer Kuhfladen ins Feuer.
Kowalski stellte sich neben Elizabeth. »Nicht gerade Burger King.«
»Vielleicht deshalb, weil sie die Kühe als heilig verehren.«
»Hey, ich verehre sie auch. Besonders englisch gegrillt, mit einer leckeren gebackenen Kartoffel.«
Elizabeth lächelte. Weshalb wollte dieser grässliche Mann sie ständig zum Lächeln bringen? Plötzlich wurde ihr bewusst, wie eng sie beieinanderstanden. Sie rückte etwas von ihm ab.
An der einen Seite zupfte ein Dorfbewohner die Saiten einer Sitar. Begleitet wurde er von einem Mann mit Mundharmonika und einem Tablaspieler.
Ein hochgewachsener Neuankömmling trat auf sie zu. Er war Mitte dreißig, sein Haar kurz geschoren, seine Haut olivfarben. Er war mit einem traditionellen Dhoti bekleidet, einem fleckenlosen rechteckigen Stück Tuch, das von der Hüfte bis zum Knöchel reichte. Dazu trug er ein langärmliges Hemd und einen geknöpften Kittel. Auf seinem Kopf saß eine mit Stickereien verzierte Strickmütze, die Kufi genannt wird. Er verneigte sich tief und sagte auf Englisch mit schneidigem britischen
Akzent: »Ich bin Abhi Bhanjee, doch es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mich Abe nennen würden. Bei uns in Indien gibt es ein Sprichwort: At ithi devo bhava. Unsere Gäste sind wie Götter. Und das gilt ganz besonders für die Tochter von Professor Archibald Polk, meinem hoch geschätzten Freund.« Er deutete zum Tisch. »Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Sie setzten sich. Als der Mann vom Schicksal ihres Vaters erfuhr, verflüchtigte sich sein Lächeln.
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte er leise und voller Trauer. »Das ist ein tragischer, höchst betrüblicher Verlust. Mein Beileid, Miss Polk.«
Elizabeth neigte den Kopf und bedankte sich so.
»Er wurde zuletzt in Ihrem Dorf gesehen«, sagte Gray und nickte zu Masterson hinüber. »Er hat dem Professor telefonisch mitgeteilt, er wolle hierherfahren.«
Masterson räusperte sich. »Wir hatten gehofft, Sie könnten uns sagen, wohin Archibald anschließend weitergereist ist.«
»Ich habe gewusst, dass es unklug war, alleine weiterzufahren«, antwortete der Mann und schüttelte den Kopf. »Aber er wollte nicht warten.«
»Wohin wollte er?«, fragte Gray.
»Es war falsch, ihn überhaupt dorthin zu bringen. Das ist ein verfluchter Ort.«
Elizabeth berührte die Hand des Mannes mit den Fingerspitzen. »Wenn Sie etwas wissen … irgendwas …«
Er schluckte mühsam, griff in eine Tasche seines Kittels und holte einen kleinen Stoffbeutel heraus. »Angefangen hat es damit, dass ich Ihrem Vater das hier gezeigt habe.« Er öffnete den Beutel und schüttete dessen Inhalt auf den Tisch. »Die finden wir hin und wieder auf den Feldern.«
Alte, matte, fast schwarze Münzen klimperten und tanzten. Eine Münze rollte vor Elizabeth hin. Sie fing sie ab und nahm sie in die Hand. Sie betrachtete die Oberfläche und rieb mit
dem Daumen etwas Schmutz ab - erst dann wurde ihr bewusst, was sie da in Händen hielt.
Auf der Münze war das von kleinen Schlangen umrahmte Gesicht einer Frau abgebildet; die Prägung war zwar abgegriffen, aber noch immer deutlich erkennbar. Es war die Gorgo mit Namen Medusa. Elizabeth wusste, was das bedeutete.
»Eine alte griechische Münze«, sagte sie verwundert. »Und die
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