Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
dass er nicht weiter auf den Verkehr geachtet hatte. Allerdings hatte er gleich die Befürchtung gehabt, dass Rachel und alle, die mit ihr in Verbindung standen, überwacht wurden. Er musste dringend ein paar Anrufe tätigen.
Allerdings hatte er die Rechnung ohne Seichan gemacht. Da sie ihm die Besorgnis ansah, wandte sie sich zur Tür um und zog die Pistole aus dem Hosenbund.
»Leute, jetzt wird’s ernst.«
7
11. Oktober, 8:04 Oslo, Norwegen
IVAR KARLSEN BEOBACHTETE, wie sich über dem Fjord ein Unwetter zusammenbraute. Er liebte schlechtes Wetter und freute sich auf den rauen Übergang vom Herbst zum Winter. In den kälteren Nächten fegten bereits Eisregen und Schneeschauer über die Gegend hinweg. Morgens herrschte meistens Frost. Auch jetzt spürte er die Kälte an den Wangen, als er die Fingerknöchel auf die alten Steine setzte und aus dem Bogenfenster schaute.
Er befand sich auf dem Munk-Turm. Dies war der höchste Punkt der Burg Akershus, eines der berühmtesten Wahrzeichen der Stadt Oslo. Die imposante Anlage war im dreizehnten Jahrhundert von König Haakon V. an der Ostseite des Hafens zum Schutz der ganzen Stadt erbaut worden. Im Laufe der Zeit war sie mit Wassergräben, Wällen und Befestigungen erweitert worden. Der Munk-Turm, auf dem er stand, war Mitte des sechzehnten Jahrhunderts errichtet worden, als man die Burg mit Kanonen ausgestattet hatte.
Ivar richtete sich auf und legte die Hand auf eine der alten Kanonen. Das kalte Eisen erinnerte ihn an seine Pflicht, nicht nur sein Land zu schützen, sondern die ganze Welt. Das
war der Grund, weshalb er die alte Burg als Veranstaltungsort für den diesjährigen Welternährungsgipfel der UNESCO ausgewählt hatte. Eine Milliarde Menschen waren von Nahrungsmittelknappheit betroffen, doch er wusste, das war erst der Anfang. Der Gipfel war für die Zukunft der Welt und die seiner Firma, Viatus International, von entscheidender Bedeutung.
Von seinen Plänen würde er sich nicht abbringen lassen – weder durch die Vorfälle in Afrika noch durch die Ereignisse in Washington. Sein Vorhaben war lebenswichtig für die ganze Welt, vom Familienerbe ganz zu schweigen.
Im Jahr 1802, als Oslo noch Christiania hieß, hatten die Brüder Knut und Artur Karlsen aus einem Holzfällerunternehmen und einer Schießpulverfabrik ein Firmenimperium geformt. Ihr Reichtum wurde zur Legende und machte sie zu wahren Industriebaronen. Schon damals hatten sie ihr Vermögen teilweise für wohltätige Zwecke verwandt. Sie gründeten Schulen, bauten Krankenhäuser, verbesserten die Infrastruktur des Landes und förderten in dem rasch wachsenden Land vor allem Innovationen. Deshalb nannten sie ihren Konzern Viatus , abgeleitet vom lateinischen via, dem Weg, und vita, dem Leben. Für die Karlsen-Brüder war Viatus der Lebensweg, die Verkörperung ihrer Überzeugung, das eigentliche Ziel der Industrie bestehe darin, die Welt besser zu machen, und Reichtum müsse verantwortungsvoll verwendet werden.
Ivar beabsichtigte, dieses Vermächtnis, das bis zur Gründung Norwegens zurückreichte, fortzuführen. Es hieß, der Stammbaum der Karlsen-Familie reiche bis zu den ersten Wikinger-Siedlern zurück, und seine Wurzeln seien mit denen Yggdrasils verwoben, des Weltenbaums der nordischen Mythologie. Ivar wusste jedoch, dass dies lediglich Ausschmückungen seiner alten bestefar und bestemor waren, Geschichten, die von Generation zu Generation weitergereicht wurden.
Gleichwohl war Ivar stolz auf seine Familiengeschichte und
den norwegischen Schatz an Wikinger-Sagen. Der Vergleich schmeichelte ihm. Die Wikinger waren es gewesen, welche die nordische Welt geschmiedet hatten und mit ihren Langschiffen mit dem Drachenbug nach Europa und Russland und sogar bis nach Amerika gesegelt waren.
Weshalb hätte Ivar Karlsen nicht stolz sein sollen?
Vom hohen Munk-Turm aus beobachtete er, wie sich die Unwetterwolken am Himmel ballten. Im Laufe des Vormittags würde es regnen, am Nachmittag würde der Regen in Schnee übergehen, bis es gegen Abend vielleicht zum ersten Mal in diesem Jahr richtig schneien würde. Der Schnee kam früh in diesem Jahr, ein weiterer Hinweis auf den Klimawandel. Die Natur wehrte sich gegen die von Menschen verursachten Schäden, gegen die Umweltgifte und den wachsenden CO2-Ausstoß. Sollten andere die Verantwortung des Menschen für die Erderwärmung infrage stellen. Ivar lebte in einem Land der Gletscher. Er kannte die Wahrheit. Die Schneedecke und die Permafrost-Gebiete
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