Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
nur eine Möglichkeit, Rachel zu schützen.
»Wir müssen finden, wonach sie suchen«, erklärte Gray.
Rachel und Seichan wechselten einen Blick.
»Ich habe den Gegenstand«, sagte Rachel.
Gray vermochte seine Bestürzung nicht zu verbergen.
»Aber wir wissen nicht, was er bedeutet«, sagte Seichan. »Zeigen Sie ihn Gray.«
Rachel zog einen kleinen Lederbeutel aus der Tasche hervor, nicht größer als eine Geldbörse. Sie schilderte kurz, wie sie den Beutel an einem Bronzefinger des Skeletts im Petersdom entdeckt hatte.
»Onkel Vigor hat mich darauf gebracht«, schloss sie und reichte Gray den Beutel. »Weiter gekommen sind Seichan und ich bislang aber nicht. Zumal was den Inhalt des Beutels angeht.«
Seichan und ich . . .?
Aus ihrem Mund hörte sich das an, als wären sie Partner, nicht Kidnapper und Opfer. Gray blickte zur Badezimmertür. Während Rachel erzählt hatte, war Seichan ins Bad getreten und hatte das Handtuch auf dem Boden liegen lassen. Sie hantierte im Bad herum, doch er war sicher, dass sie eifrig lauschte. Hätten sie versucht, das Weite zu suchen, wäre sie im nächsten Moment herausgestürzt.
»Ist wirklich alles mit dir in Ordnung?«, flüsterte Gray, wobei er Rachel in die Augen blickte.
Sie nickte. »Seichan hat mir erst dann die Handschelle angelegt, als sie ins Bad gegangen ist. Vertrauensselig ist sie nicht gerade.«
Im Moment wusste Gray Seichans Vorsicht durchaus zu schätzen. Rachel war ebenso eigensinnig wie er. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wäre sie weggerannt. Ihre Flucht
hätte ein schlimmes Ende nehmen können. Hätte die dritte Partei sie gefasst, wäre man weniger sanft mit ihr umgesprungen als Seichan.
Jetzt, da Seichan im Bad war, trat Kowalski näher und zeigte auf den Beutel. »Was ist da drin?«
Gray hatte die Lederverschnürung bereits gelöst. Er spürte, dass Rachel gespannt auf seine Reaktion wartete.
»Ist das …?« Kowalski blickte Gray über die Schulter, dann schreckte er zurück. »O Mann, das ist ja krank.«
Gray empfand den gleichen Abscheu wie Kowalski. »Das ist ein menschlicher Finger.«
»Ein mumifizierter Finger«, setzte Rachel hinzu.
Kowalski verzog angewidert das Gesicht. »Und wie ich uns so kenne, ist das Ding verflucht.«
»Woher stammt der Finger?«, fragte Gray.
»Das weiß ich nicht, aber Pater Giovanni war zuvor in Nordengland in den Bergen. Hat an einer Ausgrabung mitgearbeitet. Mehr ist dem Polizeibericht nicht zu entnehmen.«
Gray schob den ledrigen Finger in den Beutel. Dabei fiel ihm die primitive Spirale auf, die ins Leder eingebrannt war. Neugierig geworden, drehte er den Beutel um und entdeckte das zweite Zeichen. Ein Kreis und ein Kreuz. Er musste an Painters Bericht zu den Ereignissen in D.C. denken. Es hatte zwei Mordfälle auf zwei Kontinenten gegeben, und beide Tote hatte man mit dem gleichen Zeichen gebrandmarkt.
Gray wandte sich an Rachel. »Eine Frage zu dem Zeichen. Du hast gemeint, der Beutel stehe mit der Bombenexplosion in Verbindung. Weshalb bist du dir da so sicher?«
Sie gab die erwartete Antwort.
»Die Attentäter haben Pater Giovanni«, sie fasste sich an die Stirn, »das gleiche Zeichen eingebrannt. Das wurde der Presse gegenüber nicht erwähnt. Interpol hat dazu Nachforschungen angestellt.«
Gray betrachtete den Beutel.
Jetzt hatten sie es schon mit drei Morden auf drei Kontinenten zu tun.
Aber gab es wirklich eine Verbindung zwischen den Todesfällen?
Rachel erriet offenbar seine Gedanken. »Was hast du, Gray?«
Ehe er antworten konnte, läutete das Telefon auf dem Nachttisch. Alle erstarrten. Seichan kam wieder ins Zimmer, bekleidet mit schwarzer Freizeithose und burgunderroter Bluse. Sie zog eine zerschlissene schwarze Lederjacke an.
»Will denn niemand drangehen?«, fragte Kowalski, als das Telefon erneut läutete.
Gray trat ans Bett und nahm den Hörer ab. »Hallo?«
Es war Franco, der Hotelbesitzer. In Europa ist es üblich, Besucher anzukündigen, für den Fall, dass der Gast gerade indisponiert ist. Franco wusste, dass Rachel und Gray einmal ein Paar gewesen waren, und wollte vermeiden, dass sie buchstäblich mit heruntergelassenen Hosen ertappt wurden.
Gray aber erwartete keinen Besuch. Er wusste, was das bedeutete. Er bedankte sich eilig und wandte sich zu den anderen um. »Wir bekommen Besuch.«
»Besuch?«, wiederholte Kowalski.
Seichan hatte ihn auf Anhieb verstanden. »Ist Ihnen jemand gefolgt?«
Gray überlegte. Er hatte sich solche Sorgen um Rachel gemacht,
Weitere Kostenlose Bücher