Signal: Roman (German Edition)
helfen. Wir beanspruchen den Tod.«
Während die beiden Reisenden zusahen, sauste das Rudel über Quaffers Leiche hinweg und machte sich daran, einen Erdhügel auf der anderen Seite des weichen Flussbettes auszuheben. Der Sand flog so hoch und weit, dass Ingrid und Whispr den Kopf abwenden und die Augen mit den Händen abschirmen mussten. Gelegentlich warfen sie einen Blick in die Richtung der fleißigen Erdmännchen und erkannten, dass diese vorhatten, die Leiche zu vergraben.
»Das … Das ist nicht notwendig«, meinte Ingrid zu Nyala. »Die Aasfresser der Wüste werden sich um ihn kümmern.«
»Wir sind auch Aasfresser der Wüste«, informierte sie die Anführerin der Erdmännchen. »Wir … recyceln. Nicht das Fleisch, aber die Flüssigkeit aus dem Körper. Alle Flüssigkeiten sind hier kostbar.«
Vor ihrem inneren Auge sah Ingrid, wie die Erdmännchen in den Rücken der mit Sand bedeckten Leiche bissen und das Wasser, das aus dem frisch manipulierten Wassersack herausrann, aufschleckten. Bei dieser Vorstellung wirkten Nyala und die anderen Erdmännchen sofort weniger niedlich.
»Ihr könnt daran teilhaben. Wir teilen mit euch«, erklärte das Erdmännchen.
»Danke.« Ingrid lächelte verunsichert. »Wir haben Wasser bei uns, wir wissen, wo die Wasserlöcher auf unserem Weg liegen, und im Notfall haben wir Geräte, die der Luft Wasser entziehen können.«
Nyala starrte sie an. Die Energie, die ihr Rudel an den Tag legte, war wirklich bewundernswert. Quaffer war bereits unter einem Schwall aus Sand und Erde, den die Tiere geschickt platzierten, verschwunden.
»So klug. Und so dumm.« Die Erdmännchenmatrone wandte sich von den Menschen ab und lief hinüber zur Leiche des Führers, um die letzten Handgriffe des andauernden Begräbnisses zu überwachen.
Als es dämmerte, erzählte Nyala Ingrid, dass Erdmännchen normalerweise die Flüssigkeit, die sie brauchten, aus den Schlangen, Eidechsen, Insekten, Spinnen und ab und zu von einem kleinen Vogel erhielten, also den Tieren, die sie verspeisten. Wenn jedoch andere Flüssigkeiten verfügbar waren, dann zögerten sie nicht, auch diese Quelle zu nutzen. Das im manipulierten Rückensack des toten Freewalkers gespeicherte Wasser, das jetzt herausfloss, musste sie ebenso überrascht haben, wie die Sturzflut die beiden Menschen einige Tage zuvor überrascht hatte.
Nachdem sie aus dem fleischigen Sack des fast völlig vergrabenen Führers getrunken hatten, bis sich ihre Bäuche aufblähten, verteilten sie sich wie unzählige, winzige betrunkene Wachmänner auf dem Sand und legten sich hin. Während es immer dunkler wurde, war in der geschützten Schlucht nichts als das gelegentliche Schlappen einer winzigen Zunge zu hören, das wie der Flügelschlag eines Schmetterlings klang, wenn ein Mitglied des Rudels noch etwas von der kostbaren Flüssigkeit trank, die dem Meld nun nichts mehr nützte.
Normalerweise versuchte Whispr, in der Nähe seiner Begleiterin zu schlafen, und zwar so dicht bei ihr, wie sie es gestattete. Doch in dieser Nacht sah er davon ab. Er suchte Schutz unter einem Überhang, rollte sich in seine Decke ein und drückte den Rücken fest gegen die Felswand. Auch wenn er es nur ungern zugab, waren sie von den Wieseln, Mungos, Ratten oder was immer sie auch waren zweifellos vor Quaffers egoistischem Wahnsinn gerettet worden, doch er misstraute diesen scharfzahnigen kleinen Vampiren trotzdem. Alles, was eine Plastikfessel durchbeißen konnte, konnte auch einen Hals durchbeißen. Nachdem er mit angesehen hatte, wie die Erdmännchen die Leiche des Freewalkers angeknabbert und rasend schnell beerdigt hatten, war seine Vorsicht nur noch größer geworden.
Also lag er wach auf dem Boden und hielt danach Ausschau, ob sich kleine Augen in der Dunkelheit näherten. Die Anwesenheit dieser schaurigen zweifüßigen Wesen hatte jedoch auch einen Vorteil, denn da er so beschäftigt damit war, sie im Auge zu behalten, vergaß er, dass einige weitaus giftigere Einheimische wie Skorpione oder Radspinnen ebenfalls auftauchen konnten.
Es mochte naiv sein oder an ihrem Mitgefühl liegen, aber Ingrid teilte seine Sorge nicht. In der riesigen Namib waren die einzigen Menschen, die ihnen seit ihrem Aufbruch in Orangemund begegnet waren, ein halb verrückter Eremit und ein völlig verrückter Diamantenjäger gewesen, daher schienen ihr die magifizierten Erdmännchen deutlich menschlicher zu sein als die letzten beiden Vertreter ihrer Spezies. Zwar konnte nur die
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