Signal: Roman (German Edition)
ihre edle Seite zu zeigen und den Freewalker zu erledigen. Wir saßen einige Minuten lang ziemlich in der Klemme, und ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht gekommen wären. Aber einen Meld mit Nadeln zu spicken ist eine Sache, sich den Autoritäten zu stellen, selbst wenn sie einer privaten Sicherheitstruppe wie der des SAHV angehören, und das aus einem Grund, der sie nicht im Geringsten interessiert, stellt ein größeres Risiko dar, als die typischen Straßengauner eingehen würden. Selbst wenn die Gauner, über die wir sprechen, ganz besonders niedlich sind.«
Nachdem Ingrid kurz über die ernst gemeinte Beobachtung ihres Begleiters nachgedacht hatte, musste sie seiner Einschätzung der Beweggründe der Erdmännchen widerstrebend zustimmen. Trotz all dem, was sie zusammen durchgemacht hatten, war sie noch nicht in einer Position, in der sie die Weisheit eines Menschen infrage stellen konnte, der sich verdammt gut mit den Gegebenheiten auf der Straße auskannte. Sie aß die Überreste ihrer flüssigen Eier Benedikt auf, stellte das leere Päckchen beiseite und schulterte ihren Rucksack. Nachdem sie die Riemen angepasst hatte, dauerte es einen Moment, bis die druckempfindlichen aufblasbaren Kissen korrekt positioniert waren. Sie beugte sich vor, hob ihren thermosensitiven Hut mit der breiten Krempe auf und nickte Whispr zu.
»Okay, lass uns gehen.« Sie sah blinzelnd zum Himmel hinauf. »Nerens wird schließlich nicht zu uns kommen.« Sie deutete mit einer Hand die Schlucht entlang. »Gehen wir hier weiter?«
Whispr warf einen Blick auf seinen Kommunikator, den einzigen, der ihnen noch geblieben war, blickte nach oben und sah dann erneut auf den kleinen Bildschirm. »Es sind etwa zehn Kilometer bis zum nächsten permanenten Wasserloch. Die Hälfte der Strecke können wir in diesem Flussbett bleiben, den Rest müssen wir oben zurücklegen, wo man uns leichter entdecken kann.«
»Dann sollten wir uns lieber in Bewegung setzen.« Sie korrigierte noch einmal die Position ihres Rucksacks und marschierte dann an ihm vorbei.
»Hey! Nicht so schnell, Doc. Bei diesem Tempo bist du schon vor dem Mittagessen k. o.« Er beeilte sich, um sie einzuholen. »Du bereust es noch immer, dass du deine Haustiere verloren hast, was? Denk nicht weiter darüber nach. Vielleicht treffen wir die Bande ja irgendwo wieder«, fügte er hinzu, weil er hoffte, sie so ein wenig aufzumuntern.
»Ja, das ist doch sehr wahrscheinlich«, murmelte sie.
Schweigend gingen sie etwa eine Stunde lang nebeneinanderher, dann konnte er die Stille nicht mehr ertragen. »Deine Zuneigung zu diesen Tieren hat doch nichts damit zu tun, dass du dir insgeheim Kinder wünschst, oder, Doc?«
Sie warf ihm einen erzürnten Blick zu und schüttelte dann den Kopf. »Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, Whispr, aber manchmal bist du mir immer noch ein Rätsel. Beispielsweise in diesem Moment, in dem ich unsicher bin, obdu wirklich einfühlsam bist oder einfach nur durch und durch taktlos.«
Ihre spitze Reaktion schüchterte ihn jedoch keinesfalls ein. Das schafften Worte nun mal nicht. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Und weil mir deine Einstellung nicht gefällt, werde ich es auch nicht tun.«
Sie machte größere Schritte, um jetzt ein Stück vor ihm zu gehen. Er zuckte mit den Achseln, behielt sein Tempo bei und wanderte hinter ihr her. Eigentlich war es ihm völlig egal, wie ihre Antwort lauten würde. Aber warum hatte er ihr diese Frage dann überhaupt gestellt? Kein Wunder, dass sie ihn nicht durchschaute.
Es kam ja verdammt oft vor, dass er sich selbst nicht verstand.
*
Anders als der kurze, aber intensive Regenguss, dessen Nachwirkungen in dem zuvor ausgetrockneten Flussbett dafür gesorgt hatten, dass Ingrid beinahe ertrunken war, kündigte sich der aufkommende Sandsturm sicht-, aber nicht hörbar an. Da Whispr daran gewöhnt war, auf das Unerwartete zu achten, und außerdem bessere Augen hatte, war er es, der nach vorn deutete und sich über die seltsame, sich verändernde Wolke am Horizont wunderte.
»Zu Hause in Namerika hätte ich auf Smog getippt.« Je länger er das immer dunkler werdende Phänomen anstarrte, desto finsterer wurde seine Miene. »Aber hier draußen kann es keinen Smog geben. Laut all der Karten und Ouspels Anweisungen gibt es hier draußen absolut gar nichts.«
Er warf seiner Begleiterin einen Blick zu. Sie trug locker sitzende Wüstenkleidung, war mit Schmutz
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