Silber
Wasseranschluss angemeldet hat. Kein Festnetz, der Handyempfang ist sehr gut. Und drittens: suche nach Gebäuden, die leerstehen, wo die Pacht abgelaufen ist oder sonstwas in der Richtung.“
Lethe wies ihn nicht darauf hin, dass er eigentlich nur zwei Dinge hatte sagen wollen. „Wird erledigt.“
Je länger Konstantin darüber nachdachte, desto weniger glaubte er, dass er hier wirklich nach einem Scharfschützen suchte.
Es boten sich nur wenige, kurze Gelegenheiten für den Schuss. Auf der Route am Fluss entlang gab es bestimmt nur ein oder zwei günstige Aussichtspunkte, und damit schieden sie eigentlich schon wieder aus. Wenn ein Schütze gut genug war, um mit drei präzisen Schüssen auf diese Entfernung ein bewegliches Ziel zu treffen, dann war er bestimmt auch gut genug, um zu wissen, dass ein oder zwei Aussichtspunkte – statistisch betrachtet – eine Chance von null Prozent ergaben, vom Tatort fliehen zu können. Es kam nur selten vor, dass ein wirklich guter Schütze sich auf eine Selbstmordmission begab.
Fanatiker nahmen Selbstmordmissionen an.
Das führte seine Gedanken wieder zu Mabus und Miles Devere.
„Vier Dinge“, sagte er, als er wieder bei Lethe anrief.
„Schießen Sie los.“
„Du hast die Nummer von Devers Handy. Kannst du es orten?“
„Solange der Akku angeschlossen ist, kann ich über GPS seine Position ermitteln, klar. Das ist der Segen der modernen Technik. Man kann nicht mehr einfach so mal von der Bildfläche verschwinden.“
„Sag mir nicht, dass du es kannst, sag mir, wo er ist“, grunzte Konstantin. Er drehte die Zigarette ununterbrochen zwischen seinen Fingern. Er konnte verstehen, warum manche Leute rauchten, wenn sie nervös waren: Es gab ihnen etwas, womit sie ihre Hände beschäftigen konnten.
Lethe gab ihm die Adresse eines Hauses am Jesuitenplatz in der Altstadt durch.
Dreißig Minuten später stand Konstantin dort, starrte nach oben auf ein Fenster und war fest davon überzeugt, dass der Schatten, der hinter dem Vorhang zu sehen war, Miles Devere gehörte. Diese Situation hatte eine schöne Symmetrie. Der Jäger und der Gejagte blickten sich in die Augen, und keiner von beiden wusste, welche Rolle er in diesem Spiel der Gewalt einnahm. Wer war der Jäger? Wer der Gejagte? Das gefiel Konstantin, der einen übermäßig ausgeprägtem Sinn für Theatralik hatte. Er brach den Blickkontakt zuerst ab und ging auf das Gebäude zu. Er fragte sich kurz, ob Devere überhaupt wusste, wer er war. Doch, er würde es ganz bestimmt wissen, folgerte der Russe. Ein Mann wie Devere wollte immer die Kontrolle haben. Das war sein Spiel. Er würde es nicht ertragen können, wenn er nicht über alle Figuren auf dem Brett Bescheid wusste.
Aber wie viel wusste er?
Die Antwort auf diese Frage hing größtenteils davon ab, wie gut Deveres Leute waren. Die Dienstakte von Konstantin Khavin lag unter Verschluss, wie alles andere, was Ihre Majestät über ihn wusste, ab dem Moment, als er den Boden westlich der Mauer betreten hatte. Jemand wie Lethe hätte Devere allerdings sagen können, was Konstantin gestern zum Frühstück gegessen hatte, welche Farbe seine Unterhose heute hatte, wann er das letzte Mal kacken war und alles, was dazwischenlag. Soweit er Lethe kannte, würde der nur etwa fünf Minuten brauchen, um all diese kleinen Informationsjuwelen zusammenzutragen. Also musste Konstantin davon ausgehen, dass Miles Devere alles über ihn wusste, was in den Akten von zwei unterschiedlichen Regierungen über ihn festgehalten war, und wahrscheinlich noch ein gutes bisschen mehr als das. Er konnte nicht sagen, wie sich das auf die nächsten Spielzüge auswirken würde, aber ein guter Stratege wusste, womit er es zu tun hatte, und gestaltete seine Planung dementsprechend. Also musste Konstantin davon ausgehen, dass Devere seine Taktik um das detaillierte Wissen herum aufbauen würde, mit wem er es hier zu tun hatte.
War es vermessen von Konstantin, zu glauben, dass es Devere total am Arsch vorbeiging, wer er war und was er in den gut vierzig Jahren auf diesem Planeten schon alles gemacht hatte? In Moskau hätte sich diese Frage erübrigt – und sogar im Mikrokosmos von Nonesuch stellte sie sich nicht – aber hier draußen, wo die Menschen nach den Regeln des Geldes spielten? Devere hatte bereits bewiesen, dass er tun konnte, was immer er wollte, auch außerhalb von vernünftigen Grenzen. Er hatte schließlich auch die Waffen gekauft, mit denen die Menschen ermordet wurden, die die
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