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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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warum Grey Metzger für den MI6 eine Person von besonderem Interesse gewesen war. War Metzger vielleicht das Zentrum der ganzen Geschichte? War es möglich, dass er gar kein Opfer, sondern einer der Drahtzieher war?
    Er brauchte Lethe nicht extra zu sagen, dass er diese Spur weiterverfolgen sollte.
    Bis Sonnenaufgang würden sie alles wissen, was es über Miss Ghostwalker zu wissen gab.
    Allerdings dauerte es noch eine ganze Weile bis Sonnenaufgang, und er hatte noch ein neuntes Haus vor sich.
    Er hatte sich mit den Nachbarn unterhalten, um sich ein Bild der letzten Tage der Opfer zu machen. Aber es handelte sich bei ihnen um typische Stadtmenschen, die ganz für sich allein lebten. Es war nicht mehr so wie vor fünfzehn Jahren, als jeder alles über den anderen wusste; heutzutage konnte man nur vage Vermutungen anstellen, was sich hinter den verschlossenen Türen abspielte. Die Gespräche mit den anderen Parteien im Haus waren reine Zeitverschwendung gewesen. Selbst wenn sie etwas gesehen hatten, stellten sie sich plötzlich blind. Die Leute wussten nicht mehr, was das Wort Bürgerpflicht bedeutete. Es gab nicht einmal mehr einen Milchmann, der täglich eine frische Lieferung brachte. Alles war so schrecklich anonym geworden.
    Ronan Frost ging die Straße hinunter und zog sich die Jacke eng um den Körper. Er spürte die nächtliche Kälte auf seiner Haut. Es fühlte sich nicht so an, als ob der Frühling endlich hereingebrochen wäre; es fühlte sich an, als ob der Winter jeden Anflug von Wärme sofort wieder gnadenlos vernichtet hätte. Autos parkten auf beiden Seiten der Straße, sie standen Stoßstange an Stoßstange. Es gab keine teuren Sportwagen in der langen Schlange der Fords, Fiats, Mazdas und Citroëns. Es handelte sich ausschließlich um praktische Modelle, und keines davon war neu. In diesem Stadtteil landete ein neuer Wagen knapp auf dem zweiten Platz der Prioritätenliste, gleich nach dem Ernähren der Familie.
    Bei den meisten Häusern der Straße war eine Alarmanlage an die Wand über der Eingangstür montiert. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit war die Hälfte von ihnen nur Attrappen. Denn so war es um diese Nachbarschaft bestellt.
    Er hielt nach dem Zucken eines Vorhangs Ausschau, einem Aufkleber der Nachbarschaftswache auf einem Fenster, nach irgendeinem Anzeichen auf einen neugierigen Zeitgenossen, dem vielleicht etwas Ungewöhnliches aufgefallen war. Aber alle Vorhänge waren zugezogen, und das Licht dahinter war gedämpft. Die Leute sahen nicht nach draußen auf die Straße, weil sie wussten, was gut für sie war. Frost ging mitten auf der Straße und atmete den Geruch der Stadt ein. Er konnte das Aroma der Gefahr fast in der Kehle schmecken. Dieser Ort hatte außer den Graffiti noch andere Gemeinsamkeiten mit dem Belfast seiner Jugend.
    Er zählte die Hausnummern ab, bis er an der weißen Tür des neunten Hauses ankam. Das Unkraut hatte sich einen Weg durch die Risse im Asphalt gebahnt, die Fenster waren dunkel, und die nackte Glühbirne in der Außenlampe war zerbrochen. Es war das richtige Haus in der richtigen Straße, aber es unterschied sich deutlich von den anderen acht, die er sich bisher angesehen hatte. Die vorherigen Wohnungen hatten sich immer in den besseren Vierteln der jeweiligen Städte befunden, es waren teure Häuser in den angesagten Vororten, wenn nicht direkt im Stadtzentrum gewesen – ganz im Gegensatz zu diesem bescheidenen Heim. Es roch nach Armut. Er spürte die Hoffnungslosigkeit des Ortes über seine Haut kriechen wie Milben.
    Es hatte zumindest einen Vorteil, dass in dieser Straße niemand aus seinem Fenster sah: es würde auch niemand die Polizei rufen.
    Er ging zur Eingangstür, nahm die Browning aus dem Rückenholster und schlug mit dem Griff das kleine Glasfenster ein. Dann stieß er die scharfkantigen Scherben aus dem Rahmen und griff mit der Hand nach der Klinke. Er vermutete, dass die Bewohner die Tür nicht abgeschlossen hatten, wenn sie das Haus übereilt verlassen hatten. Seine Vermutung erwies sich als richtig, die Haustür schwang auf.
    Frost trat ein und schloss sie leise hinter sich.
    Das erste, was er wahrnahm, war ein intensiver, süßlicher Geruch.
    Er würgte und musste den Reiz unterdrücken, sich zu übergeben. Der Gestank war überwältigend.
    Er kannte diesen Geruch. Es gab auf der ganzen Welt nur eine Sache, die so stank: eine nicht mehr ganz frische Leiche.
    Die ungeöffnete Post und die Zeitungen der vergangenen Woche lagen verstreut auf der

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