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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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gemacht, aber ich glaube nicht, dass sie damit viel Glück hatten – zumindest nicht im konkreten Fall. Nicholls Tobacco soll bald abgerissen werden, um Platz für Luxusappartementhäuser zu schaffen. Das Telefon ist allerdings vor zwölf Tagen wieder angemeldet worden. Und das ist das große Rätsel, Boss: Wofür braucht man in einem Abbruchhaus einen Telefonanschluss?“
    „Damit die Ingenieure dort eine Leitung haben, um die Abrissarbeiten koordinieren zu können“, antwortete Frost.
    „Schön, machen Sie ruhig so weiter und verderben Sie mir den ganzen Spaß mit ihren lapidaren Antworten.“
    Von draußen hörte Frost das An- und Abschwellen einer Polizeisirene, die durch die nächtlichen Straßen raste. Sie war etwa vier oder fünf Blocks entfernt und kam beständig näher. Er unterdrückte den Impuls zur Flucht. Sie wollten nicht zu ihm. Der Klang von Sirenen gehörte hier ebenso zum Straßenbild wie die unzähligen billigen Imbissbuden. Ihm fielen aus dem Stegreif ein Dutzend Gründe ein, aus denen sie zu jedem beliebigen anderen Ort unterwegs sein konnten – nur nicht hierher, in das kleine, armselige Haus mit der toten Frau, die auf dem Bett in ihrem eigenen Blut lag. Doch die Sirenen wurden mit jedem Herzschlag lauter, und ihm wurde klar, dass seine zwölf Gründe nur Wunschdenken gewesen waren.
    „Okay, Jude, ich glaube, ich bekomme gleich Probleme“, sagte er und ging zur Tür. Die Sirenen waren höchstens noch eine Straße entfernt. „Bitte sag mir, dass die Bullen nicht auf dem Weg hierher sind. Lüg mich an, wenn’s sein muss.“
    „Sie wollen wirklich, dass ich lüge?“ Frost konnte die Belustigung in Lethes Stimme hören. Die Angelegenheit schien ihm eindeutig zu viel Spaß zu machen. „Nun, dann sind gerade eindeutig keine drei Streifenwagen in die Halsey Road Nummer elf gebraust, dem letzten bekannten Wohnsitz eines gewissen Tristan James – ehemaliges Mitglied der Gemeinde – seiner Frau Wilma und ihres acht Monate alten Sohns Marcus. Es ist überhaupt keine Polizei unterwegs. Sie können beruhigt die Füße hochlegen und ein bisschen fernsehen. Es wird absolut nichts Aufregendes passieren.“
    „Du bist kein guter Lügner“, sagte Frost.
    Er hörte, wie unten die Haustür geöffnet wurde.
    Frost ging zurück in das Zimmer. Wie er es auch betrachtete, es wäre nicht gut, in dem Haus mit der toten Frau gefunden zu werden. Vorsichtig ging er zum Fenster. „Kannst du sehen, was da draußen los ist?“
    „Kann ich, in zwei Sekunden.“
    Frost hatte keine Ahnung, was genau Lethe gerade tat; wahrscheinlich hackte er sich in einen Militärsatelliten oder machte etwas ähnlich Illegales und Angsteinflößendes. Der Junge hatte ein Händchen für Maschinen. Für Frost war momentan aber am wichtigsten, dass Lethe seine Augen und seine Ohren war. Ohne ihn würde er es nicht aus dem Haus schaffen.
    „Gib mir ihre Positionen durch“, flüsterte er in das Headset, er traute sich kaum, die Worte auszusprechen. Er wollte einen Blick durch das Fenster werfen, aber die Scheiben und Fugen des Rahmens waren mit weißer Farbe so dick übermalt worden, dass sie sich nicht öffnen ließen. Er drückte gegen den Rahmen, doch es war völlig unmöglich, das Fenster zu öffnen, ohne dabei einen Heidenlärm zu veranstalten. Das Letzte, was er wollte, war, jedem im Haus mitzuteilen, wo genau er sich gerade aufhielt.
    Er schlich zurück zur Schlafzimmertür; dabei versuchte er, sein Gewicht so gleichmäßig wie möglich zu verteilen, damit die knarzenden Dielen ihn nicht verrieten. Unten konnte er die Polizisten hören, die sich durch die einzelnen Räume arbeiteten. Sie klangen nervös, angespannt, und kampfbereit. Sie unterhielten sich laut und bellten sich gegenseitig Befehle zu. Er stand völlig reglos. Das konnte kein gutes Ende nehmen. Sie würden auf die leisesten Geräusche achten. Er rechnete sich aus, dass ihm bestenfalls noch eine Minute blieb, bevor sie in den ersten Stock kamen. Das Haus war nicht sehr groß, und es gab nicht sehr viele Orte, an denen man sich verstecken konnte. Mit dem Erdgeschoss würden sie schnell fertig sein, und dank des allgegenwärtigen Gestanks war ihnen bestimmt klar, dass sie sich am Schauplatz eines Verbrechens aufhielten. Sie rechneten damit, eine Leiche zu finden, aber sie rechneten nicht damit,
ihm
hier zu begegnen. Wenn er sie erschreckte, konnte die ganze Geschichte schnell den Bach runtergehen. „Lethe“, keuchte er, „sag mir bitte, dass sie kein

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