Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
Vom Netzwerk:
man nicht nur ihres Lebens, sondern auch ihrer Würde beraubt hatte. Ihr Tod musste sehr schmerzhaft gewesen sein. Sie hatte sich gewehrt und geschrien, bei jedem Schnitt mit dem Messer, bis der Schock schließlich ihr Nervensystem überlastet hatte.
    Er konnte nur denken, dass sie einst eine schöne Frau gewesen war, und dass das jetzt nicht mehr zutraf.
    Er blickte auf die geschundene Leiche, die noch vor neun Tagen eine Ehefrau und Mutter gewesen war, und er verspürte den dringenden Wunsch, etwas kaputt zu machen.
    Langsam setzte er seinen Rundgang durch das Zimmer fort. Im Verhältnis zu der Brutalität des Angriffs war das Zimmer sehr ordentlich. Er fand auch keine Spur von dem Baby. Mit welchem Druckmittel hatten sie den armen Kerl dazu gezwungen, sich selbst zu verbrennen? Hatten sie seine Frau ermordet und das Baby entführt? Oder hatten sie ihm erzählt, dass beide noch am Leben wären? Hatte er vielleicht geglaubt, dass er sie durch sein Selbstopfer retten konnte?
    Das war die einzig logische Erklärung. Wie sonst hätte man ihn gefügig machen sollen? Wenn er die Wahrheit gewusst hätte, hätte er nur grausame Rachepläne geschmiedet, um die Mörder zur Strecke zur bringen, auch wenn das Leben seines Kindes auf dem Spiel stand – zumindest, wenn er nicht völlig bescheuert war. Nach der Ermordung seiner Frau hätte ihm klar sein müssen, dass sie sein Kind auch töten würden, sobald sie ihr Ziel erreicht hatten. Nein, er musste gedacht haben, dass seine Frau und das Baby in Sicherheit waren. Das arme Schwein war in dem Glauben in den Tod gegangen, dass er so seine Familie freikaufen konnte.
    Das Handy der Frau lag auf dem Nachttisch. Er versuchte es einzuschalten, aber der Akku war vollständig entladen. Er öffnete das Gehäuse und nahm den Akku heraus, um an die SIM-Karte zu gelangen.
    Frost drückte den Knopf des Headsets in seinem Ohr und löste die Schnellwahl aus. Lethe meldete sich nach dem ersten Klingeln.
    „Was kann ich für Sie tun, Boss?“
    „Überprüf’ die Nummer dieser SIM-Karte für mich, ich brauche den letzten getätigten und den letzten empfangenen Anruf.“ Er nannte ihm die dreiteilige Kennzahl, die auf der Rückseite der Chipkarte stand, und wartete, während Lethe seinem Handwerk nachging. Es dauerte ein paar Minuten, und Frost nutzte sie, um den Raum weiter zu untersuchen. Selbst ohne die Leiche der Frau auf dem Bett handelte es sich um ein äußerst trauriges Schlafzimmer. Weiße Einbauschränke, die vom Boden bis zur Decke reichten, umgaben das Bett. Er öffnete erst ein paar der Schranktüren und dann die Schublade des Nachttischs. Nirgends fand er etwas Außergewöhnliches, nur Klamotten und den üblichen Krimskrams, der in die Schubladen gestopft wurde, um dort vergessen zu werden. Auf dem Nachttisch lag ein Krimi von Agatha Christie. Sie würde nie erfahren, wer der Mörder war, dachte Frost. Er ging zum Fenster hinüber und warf einen Blick hinaus auf den Garten. Das Wort ‘Garten’, unter dem man sich vielleicht Blumen, Gras und Büsche vorstellt, war allerdings keine treffende Bezeichnung. Es war winziger Hinterhof mit rissigem Asphalt und Unkraut, umzäunt von halbverrotteten Zaunlatten, die ursprünglich wohl weiß lackiert gewesen waren. Die gezackten Holzleisten sahen wie die Zähne im Gesicht des Gevatters aus, der zu ihm hochgrinste.
    „Okay, ich habe was gefunden“, sagte Lethe in sein Ohr und unterbrach damit seinen makaberen Gedankengang. „Der letzte empfangene Anruf war von einem Handy, das auf einen gewissen Miles Devere angemeldet ist. Sagt Ihnen dieser Name etwas?“
    „Nein, kommt mir nicht bekannt vor“, sagte Frost, nachdem er den Namen mit seiner mentalen Datenbank abgeglichen hatte. „Überprüfe ihn aber trotzdem, sicher ist sicher.“
    „Wird gemacht. Gut, also, der letzte ausgehende Anruf. Das ist ja interessant …“ Lethe verstummte. Frost hörte durch die Leitung das Klappern seiner Finger auf den Tasten. „Der letzte ausgehende Anruf war an das Nicholls Tobacco-Lagerhaus, eine zollfreie Lagerhalle unten bei den Canning Docks. Jude, was ist daran so interessant, höre ich Sie fragen? Nun, es ist 1983 stillgelegt worden und seit 2006 zum Abriss freigegeben. Es ist eine Ruine. In den Neunzigern gab es einmal eine Kampagne, die die ganzen alten Lagerhäuser aus der Industriellen Revolution vor dem Verfall retten wollte. Wir stoppen das Verrotten, hieß es damals. Sie haben ziemlich großen Wirbel um den Erhalt des Kulturerbes

Weitere Kostenlose Bücher