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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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lagen.
    An der gegenüberliegenden Wand sah er eine Frau, die zwei kleine Mädchen eng an ihre Brust drückte. Er konnte nicht sehen, ob sie schlief, aber er glaubte es nicht. Ihre Haltung war sehr angespannt, das sah er an den Muskeln ihrer Arme, die sie schützend um die Kinder gelegt hatte. Ein weiteres Mädchen, vielleicht neun oder zehn Jahre alt, blickte zu ihm auf. Er wusste nicht, ob sie ihn in dem schummrigen Licht sehen konnte. Er flüsterte: „Alles wird gut, ich bin hier, um euch zu helfen.“ Seine Stimme klang durch die Reihen der Schlafenden, und langsam wurden sie wach. Ein drittes Mädchen, das ungefähr sechzehn war, setzte sich auf ihrer Matratze auf. Sie rieb sich die Augen und bemühte sich, im Halbdunkel etwas erkennen zu können.
    „Wer ist da?“, rief sie. Ihre Stimme schwoll bei der letzten Silbe an und wurde gefährlich laut. Das jüngere Mädchen zeigte auf das Fenster. Sie hatte ihn gesehen.
    „Pssst“, machte Frost und legte warnend den Finger auf die Lippen, weil er fürchtete, dass sie jemand hören könnte. Es war eine alberne Geste angesichts der Tatsache, dass sie nur einen Teil seiner Wange und sein rechtes Auge sehen konnten. Noch mehr Köpfe wandten sich in Richtung des zugenagelten Fensters. „Ich werde euch hier herausholen.“
    Es war, als ob er ein Zauberwort gesprochen hätte. Die Frau stand auf und kam auf das Fenster zu, die beiden Mädchen hielten sich an ihren Beinen fest. „Oh, Gott sei Dank. Sind Sie von der Polizei?“
    „Nein“, sagte er ruhig. „Und auch nicht von der Armee“, fuhr er schnell fort, bevor sie zu viele Fragen stellen konnte. „Aber ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Sie müssen etwas für mich tun. Sie müssen mir sagen, wie viele Leute bei Ihnen da drinnen sind, und von wie vielen Leuten Sie festgehalten werden. Können Sie das tun?“
    Die Frau nickte zögernd. „Ich weiß nicht, ob es noch mehr sind – sie lassen uns nicht aus diesem Raum – aber hier drin sind wir sechzehn, vier Erwachsene und drei Teenager. Die übrigen sind Kinder unter zehn Jahren.“
    „Alles Mädchen?“
    Die Frau schluckte und nickte. „Es waren Jungs hier, aber sie haben sie weggebracht. Wir haben Schüsse gehört. Ich glaube … ich glaube … sie haben meinen Sohn erschossen.“ Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und begann zu weinen. Er gab ihr ein paar Sekunden, um sich zu fangen, aber er konnte nicht warten, bis sie sich ausgeweint hatte.
    „Bitte, Sie müssen sich zusammenreißen, nur noch eine kleine Weile. Wie heißen Sie?“
    „Annie.“
    „Ok, Annie, ich bin Ronan. Im Augenblick bin ich Ihr neuer bester Freund, und als Ihr neuer bester Freund verspreche ich Ihnen etwas. Ich werde euch alle hier herausholen. Und ich verspreche Ihnen noch etwas, ganz unter uns: Ich werde sie für das bezahlen lassen, was sie Ihrem Sohn angetan haben. In Ordnung?“
    Sie nickte.
    Er sah sie durch den schmalen Spalt zwischen den Brettern hindurch an. „Vertrauen Sie mir, Annie?“
    Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie wieder.
    „Gut. Ich vertraue Ihnen ebenfalls. Jetzt versuchen Sie sich bitte zu erinnern, wie viele Wachen Sie gesehen haben.“
    Sie überlegte einen Moment lang, wobei sie auf ihre Unterlippe biss. „Sechs. Acht. Ich bin mir nicht sicher.“ Sie schlang die Arme um ihren Körper. Sie zitterte. Frost wünschte sich, dass er durch das Fenster greifen und sie in die Arme schließen könnte. Nichts wirkte so beruhigend wie Körperkontakt, besonders in einer Situation wie dieser. Noah konnte besser mit Menschen umgehen, seine Spezialität war es nicht. Er musste mit seiner Stimme auskommen.
    „Das ist gut, Annie. Sie sind ein braves Mädchen. Ich möchte, dass Sie allen anderen sagen, dass sie sich bereit machen sollen, damit wir möglichst schnell von hier verschwinden können, wenn ich durch diese Tür dort trete. Können Sie das für mich tun?“
    Wieder nickte sie.
    „Werden Sie sie töten?“, fragte sie.
    Diesmal war es an Frost, zu nicken.
    „Gut“, sagte Annie mit Nachdruck. Sie senkte den Blick. Als sie den Kopf wieder hob, sah er den Schock in ihren Augen. Die Notwendigkeit, für ihre beiden Mädchen stark zu sein, kämpfte gegen das Bedürfnis, einfach zusammenzubrechen und ihren toten Sohn zu betrauern. Sie hatte sich schon damit abgefunden gehabt, dass sie alle tot waren, und sie hatte sich mit ihren Mädchen in einer Ecke zusammengerollt und darauf gewartet, dass die Mörder die Zellentür wieder öffneten und erneut eines

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