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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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Ist nur so eine Redensart. Soll so viel heißen wie: Wenn du bis dahin nichts von mir gehört hast, kannst du anfangen, dir Sorgen zu machen.“
    „Nun, das krieg ich hin“, sagte Jude Lethe mit einem nervösen Lachen.
    Frost unterbrach die Verbindung. Er musste sich konzentrieren, und das Geplapper von Lethe in seinem Ohr half ihm dabei nicht im Geringsten. Er ging hinüber zu dem Maschendrahtzaun, der oben mit einer Schicht Stacheldraht versehen war. Diese Leute legten offensichtlich großen Wert darauf, dass niemand hineinkam, und das reizte Frost umso mehr, einen Weg nach drinnen zu finden.
    Er zog seine Motorradjacke aus und warf sie über den Zaun, dabei hielt er sie an einem Ärmel fest, damit sie sich über den Stacheldraht legte. Dann zog er das silbergraue Jackett aus und legte es auf den Boden. Frost war kein Idiot, in keiner der Jackentaschen befand sich etwas, womit man ihn hätte identifizieren können. Wenn er fliehen musste, konnten sie über den Eindringling nur herausfinden, dass er einen guten Geschmack für Kleidung hatte und sich nicht davor scheute, in seinen gepflegten Look auch etwas Geld zu investieren.
    Beim Zurückgehen trat er mit den Absätzen auf, dann nahm er einen Anlauf von vier Schritten und sprang auf den Zaun zu. Er erreichte mit den Händen den oberen Rand, wobei die Lederjacke seine Hände vor den scharfen Zähnen des Stacheldrahts schützte, und zog sich über den Zaun. Das Drahtgeflecht zitterte heftig, als er sein Gewicht verlagerte. Er ließ sich auf die andere Seite fallen, kauerte sich zusammen und lauschte. Gnädigerweise gab der Hund keinen Laut von sich.
    Frost richtete sich halb auf und rannte geduckt los, so schnell er konnte. Er hielt den Blick starr geradeaus auf das Lagerhaus gerichtet. Seine Schritte verschlangen den Boden unter ihm und knirschten auf dem bröckeligen Asphalt. Er konnte die Geräusche nicht verhindern. Nach zwanzig Metern begann er schwer zu atmen. Sämtliche Fenster im Erdgeschoss waren entweder mit Brettern vernagelt oder vergittert. Er sah keine Türen. Er zwang sich, noch schneller zu laufen und wurde erst langsamer, als er fast gegen die Wand prallte. Er drehte sich um, drückte sich mit dem Rücken an die Mauer und schob sich auf die Ecke des Gebäudes zu, um einen Weg nach drinnen zu suchen.
    Der Mond stand als silberne Sichel über den Dächern der Stadt auf der anderen Seite des Flusses. Es war keine einzige Wolke zu sehen. Irgendwo in der Ferne ließ das Signalhorn eines Zuges seinen einsamen Balzruf ertönen. Frost joggte an der Seite des Lagerhauses entlang. Die skelettartigen Zweige einiger Sträucher bewegten sich sanft im Wind. Der erste Eingang, den er fand, war so breit, dass zwei Lastwagen nebeneinander hindurchfahren konnten. Und er war mit einem Rolltor verschlossen, das wie das Tor zum Hof mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert war. Versuchsweise rüttelte er daran, aber das Schloss rührte sich keinen Millimeter, also ging er an dem Tor vorbei und suchte nach einem bequemeren Zugang.
    Als er die nächste Ecke des Gebäudes erreichte, nahm er das Flimmern einer Bewegung wahr.
    Frost duckte sich sofort und griff instinktiv nach der Browning.
    Doch schon einen Moment später wurde ihm klar, dass er die Waffe nicht brauchen würde. Er hatte aus dem Augenwinkel etwas flackern sehen. Er sah sich das vernagelte Fenster über ihm genauer an und entdeckte dabei einen schmalen Spalt zwischen den Holzbrettern. Ein schwaches Licht tanzte unstet in dem Raum hinter den Brettern. Es dauerte einen weiteren Moment, bis er erkannte, dass der Grund für die unregelmäßige Bewegung des Lichtes der Luftzug war. Das Fenster war nicht verglast. Die Kerze auf der anderen Seite war schon fast heruntergebrannt. In wenigen Minuten würde sie erloschen sein und den Raum in Dunkelheit tauchen. Frost drückte sein Auge an den Spalt.
    In dem Raum lag ein Dutzend Matratzen auf dem Boden. Auf jeder davon lag eine ängstlich zusammengekauerte Gestalt. Die meisten von ihnen schliefen.
    Er hatte die Druckmittel gefunden. Wer auch immer hinter den Selbstverbrennungen steckte, sie hatten diese Frauen und Kinder entführt, um sicherzustellen, dass die „Selbstmorde“ wie geplant über die Bühne gingen. Frost fühlte sich angeekelt und zornig zugleich. Diese Art mit Menschenleben umzugehen war verachtenswert, und langsam konnte er sich vorstellen, mit was für Leuten sie es hier zu tun hatten, oder – noch wichtiger – wo die Grenzen dieser Leute

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