Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
dirigieren.«
»Mhm«, brummte Nyssen. »Etwas von der Einrichtung gesehen?«
»Ja. Ein Visiphon.«
»Sonst nichts?«
»Nein.«
»Gut. Hör zu, Michikai. Auf dem Postamt im Zentralbahnhof gibt es ein Schließfach Nr.
7.415 – sieben, vier, eins, fünf – das der Beamte nur öffnet, wenn das Stichwort
›Hokaido‹ genannt wird. Ich habe deine fünfzig Dollar dort deponiert. In den nächsten Tagen werde
ich dich wieder anrufen.«
Am anderen Ende der Leitung stieß Michikai einen spitzen Schrei aus. »Nur fünfzig Dollar! Bei
allen …«
Außerdem hörte Nyssen nichts mehr. Er hatte aufgelegt.
Während der nächsten halben Stunde überlegte er, welche Tageszeit für die geplante
Untersuchung am günstigsten war.
Infolge seiner eingehenden Information wußte er über den allgemeinen Tagesablauf einer
japanischen Millionenstadt recht gut Bescheid.
Nyssen entschied sich für die Zeit zwischen ein und vier Uhr morgens. Drei Stunden, meinte er,
sollten ausreichen, um eine kleine Druckerei völlig zu untersuchen.
Er verbrachte den Rest des Nachmittags schlafend, aß gut und reichlich zu Abend und besuchte
ein Kino, dessen Vorstellung ein paar Minuten vor Mitternacht endete.
Dann kehrte er in sein Hotel zurück und bewaffnete sich mit den Dingen, die er für notwendig
oder nützlich hielt. Es waren mehr als zwanzig verschiedene Geräte, aber dank den Fertigkeiten
ferronischer Mikrotechniker nahmen sie nicht mehr als den Platz zweier Hosen- und einer
Jackentasche in Anspruch.
Den schweren Neutronenstrahler allerdings trug Nyssen im Schulterhalfter.
Kurz vor ein Uhr stand er in der Nähe der Druckerei. Befriedigt stellte er fest, daß die
Straße so gut wie leer war. Wenn es ihm gelang, die Tür des Gebäudes im Lauf von drei Minuten zu
öffnen, dann war er so gut wie in Sicherheit.
Er brauchte dreieinhalb Minuten, aber es kam niemand, der ihn störte. Er war sicher, daß ihn
niemand beobachtet hatte.
Den Empfangsraum, die kleinen Büros und die daran anschließenden Maschinenräume kannte Nyssen
aus Rhodans und Michikais Beschreibung. Er hielt sich nicht damit auf, sie zu untersuchen. Ohne
weitere Schwierigkeiten drang er in das größte und am besten eingerichtete Büro ein und suchte
dort die Tür, von der Michikai gesprochen hatte.
Das Büro hatte insgesamt fünf Türen. Die, die Nyssen suchte, war die einzige, die zu
verschließen man sich die Mühe gemacht hatte.
Das Schloß war simpel. Es leistete Nyssens Mikrowerkzeugen nicht länger als zwanzig Sekunden
Widerstand.
Der kleine Raum, der dahinter lag, hatte keine Fenster. Nyssen zog die Tür hinter sich zu,
zündete seine kleine, helle Dauerlampe an und suchte einen Platz, auf dem er sie ablegen
konnte.
Außer dem Visiphon, von dem Michikai gesprochen hatte, gab es nur noch einen Stuhl. Nyssen
legte die Lampe auf den Stuhl und fragte sich, wo er nun zu suchen anfangen sollte.
Er kam sich ein wenig lächerlich vor, als er die Wände abzuklopfen begann. Manche Stellen
schienen hohl zu klingen, aber wenn er sie mit dem kleinen Röntgenstab ableuchtete, stellte er
fest, daß nur ein wenig Mörtel zwischen den Steinen abgefallen war.
Eine Stunde brachte er auf diese Weise zu und kam langsam zu der Überzeugung, daß er hier
nichts finden würde.
Da hörte er hinter sich tiefes Summen, und als er herumfuhr, sah er, daß der
Visiphon-Bildschirm aufzuleuchten begann.
Er ließ von der Wand ab und betrachtete den Bildschirm. Es war völlig ungewöhnlich, daß ein
Visiphon von selbst zu arbeiten begann. Der Bildschirm leuchtete erst dann auf, wenn die
Verbindung wirklich hergestellt war. Das konnte hier nicht der Fall sein, denn niemand hatte den
Hörer abgenommen. Nyssen hatte nicht einmal das Anmeldesignal gehört.
Er postierte sich so, daß das Bild-Aufnahmegerät ihn nicht erfassen konnte. Dann wartete
er.
Er hörte das Knacken im Empfänger im selben Augenblick, in dem er mit einem hastigen Griff die
Lampe ausschaltete.
Der Hörer war aufgelegt, trotzdem sprach er an.
Nyssen rutschte an der Wand entlang ein Stück näher zu dem Gerät und hörte die blecherne
Stimme, die eben gerade zu sprechen angefangen hatte. Das Visiphon schien einen extrastarken
Verstärker zu besitzen, denn Nyssen konnte fast jedes Wort verstehen.
»… wichtige Besprechung morgen abend zwanzig Uhr in meinem Haus. Es haben alle zu
kommen …«
Nyssens Aufmerksamkeit wurde zum Teil abgelenkt von dem seltsamen Bild, das sich auf dem
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