Silberband 004 - Der kosmische Lockvogel
es genug Gelegenheit gab, sich nach individuellem Geschmack zu
amüsieren.
Sergeant Harras hatte seinen Zug eben bei Becker zurückgemeldet und die Leute in die Quartiere
geschickt. Vor ihnen lagen nun acht freie Stunden. Es würde Nacht sein, ehe man erneut auf Wache
zog.
Vom Himmel herab brannte eine heiße Sonne. Kein Wölkchen war zu sehen. Harras konnte sich
nichts Besseres vorstellen, als so schnell wie möglich die verschwitzte Uniform auszuziehen und
sich mit einem Satz in das Schwimmbecken zu stürzen. Dort würde er so lange bleiben, bis der
Hunger ihn zur Kantine trieb.
Nur mit der Badehose angetan, verließ er sein Zimmer, das er mit zwei anderen Sergeanten
teilte, schlenderte quer über die spärlichen Grasflächen und blieb vor dem Rand des Beckens
stehen. Er atmete den Geruch des Wassers, in dem sich etwa dreißig Männer tummelten.
»Hast du Angst?« rief einer von ihnen und schlug mit der flachen Hand so geschickt gegen die
Wellen, daß Harras naß wurde.
Sergeant Harras zögerte plötzlich. Vor einer Sekunde noch hatte er sich darauf gefreut, mit
einem Satz in das kühle Naß springen zu können, und nun hielt ihn irgend etwas davon ab. Aber
sein Wunsch nach Erfrischung war stärker als alle dunklen Ahnungen. Er tat einen Schritt und ließ
seine kräftige Gestalt in das Wasser fallen.
»Das Bassin läuft über!« schrie jemand in komischem Entsetzen.
Harras konnte es nicht hören. Er ließ sich auf den Grund des Beckens sinken und war froh,
keine Stimmen mehr zu vernehmen. Für einen Augenblick war er dem Schicksal für die kurze
Einsamkeit dankbar.
Seltsame Gedanken und Wünsche ergriffen von ihm Besitz und schalteten sein normales Ich aus.
Irgendwo im Kopf war ein merkwürdiger Druck. Er spürte Herzbeklemmungen. Vielleicht hielt er die
Luft zu lange an.
Er stieß sich vom Grund ab und durchbrach mit dem Kopf die Oberfläche. Was er sah, schien
seine dunklen und unbegreiflichen Ahnungen zu bestätigen. Seine Kameraden strebten alle eilig dem
Beckenrand zu und kletterten an Land. Niemand sprach ein Wort, und es war, als hätten sie in der
kurzen Zeit, da er unter Wasser gewesen war, den Befehl erhalten, das Bad sofort abzubrechen.
Drüben am Ausgang des Gebäudes erschien Leutnant Becker. Er winkte mit beiden Armen und rief
etwas. Harras konnte es nicht verstehen.
Trotzdem wußte er, was Becker gerufen hatte: »Alarm! Sofort alles antreten!
Kampfausrüstung!«
Sergeant Harras lief in sein Zimmer, zog die noch warme Uniform wieder an, schnallte sich den
Handstrahler um und rannte auf den Appellplatz. Die Hälfte der Kompanie stand bereits. Aus der
Richtung der Grenzposten kamen die Raupenfahrzeuge. Mit Erstaunen registrierte Harras die
Tatsache, daß man die Neutronenstrahler aus den Ständen geholt und auf die Fahrzeuge montiert
hatte. Nun war die Grenze ohne Schutz. Vielleicht würden die Arkonidenroboter die Wache
übernehmen.
Leutnant Becker kümmerte sich nicht darum, daß die Kompanie nicht vollzählig angetreten war.
Er schien von Unrast erfüllt zu sein und trieb seine Unteroffiziere zur Eile an. Kaum hatten sich
die zehn Geschützwagen formiert, da gab er auch schon den Befehl zum Abmarsch.
Sergeant Harras spürte, daß etwas nicht stimmte, aber er konnte sich nicht dazu aufraffen,
über das Geschehen konzentriert nachzudenken. Der Druck im Kopf hatte nicht nachgelassen, sondern
war noch stärker geworden. Irgend etwas zwang ihn, sich mechanisch in Bewegung zu setzen.
Leutnant Becker schlug die Richtung in die kaum zwei Kilometer entfernten Werftanlagen der
Dritten Macht ein, die sich innerhalb der eigentlichen Sperrzone erhoben. Mit gesenkten Rohren
fuhren die Neutronenstrahler voran. Feuerbereit hockten die Schützen hinter den Kontrollen.
Für einen Augenblick kam Harras der Gedanke, seinen Nebenmann zu fragen, was überhaupt
geschehen war, aber als er dessen zusammengekniffene Lippen sah, verzichtete er darauf. Es mußte
etwas Schreckliches passiert sein.
Aber das war doch Unsinn …
Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Von den Werftanlagen her näherten sich drei Fahrzeuge,
die eine dichte Staubwolke hinter sich herzogen. Als sie anhielten, entstiegen ihnen Kampfroboter
der Arkoniden.
Verstärkung, dachte Harras erleichtert und doch voller Unruhe. Wie alle anderen hatte er sich
inzwischen daran gewöhnt, in diesen vollkommenen Maschinen Verbündete zu sehen. Gemeinsam
schützten sie die Dritte Macht gegen jeden eventuellen
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