Silberband 006 - Der Robotregent
die Vertiefung. Ein kaum hörbares Surren ertönte. Ein schwacher Lichtschimmer
traf seine Augen. Vorsichtig legte er das rechte Auge gegen den Schlitz.
Er sah in ein großes Zimmer, das durch gedämpfte Lichtquellen in der Decke matt erleuchtet
war. Genau ihm gegenüber stand ein breites Bett, in dem ein Mann ruhte. Er lag unter den
wärmenden Decken, die nur seinen Kopf freiließen. Deutlich waren die Konturen seines Körpers zu
erkennen.
Der Zarlt Demesor.
Oft genug hatte Rogal sein Gesicht auf den Stereo-Filmen gesehen. Er kannte die harten und
dann wieder so freundlichen Züge des Tyrannen nur zu gut. Dort also lag der Mann, der Zalit und
das Imperium verraten wollte, ahnungslos und schlafend. Fast kam sich Rogal in diesem Augenblick
selbst wie ein Verräter vor, aber er überwand seine moralischen Bedenken.
War es wirklich Mord, wenn man eine ganze Welt von einem Menschen befreite, der nur Unglück
und Krieg über sie zu bringen drohte? War ein Toter nicht besser als viele Millionen? Dem
Diktator war mit Mitteln des Rechts nicht beizukommen – blieb da etwas anderes übrig, als
Mittel der Gewalt einzusetzen, um dem Recht wieder Geltung zu verschaffen?
Rogal faßte die Waffe fester und drückte erneut.
Geräuschlos glitt die Geheimtür in die hohle Wand und gab den Eingang frei. Rogal wußte, daß
ein eingebauter Mechanismus sie nur zwei Minuten geöffnet ließ, dann würde sie sich wieder
automatisch schließen. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, die verhüten sollte, daß Unbefugte jemals
von dem Geheimgang erfuhren, durch den man den Palast unbemerkt verlassen konnte – und
betreten.
Ohne jeden Schutz lag Demesor vor ihm, keine fünf Meter entfernt.
Noch zögerte Rogal.
Er machte drei, vier Schritte, hob die Waffe und richtete sie auf den Schlafenden.
Der Zeigefinger berührte den Abzug und zog ihn durch.
Ein feiner, grünlicher Energiestrahl schoß mit Lichtgeschwindigkeit auf das Gesicht des
Schlafenden zu und hüllte es in einen feurigen Kranz aufzuckender Blitze. Rogal sah mit
Entsetzen, wie das Gesicht zu schmelzen begann. Es floß regelrecht auseinander und rann in
glühenden Bächen in die Kissen, fraß sich zischend durch die Decken und tropfte schwer auf den
Boden.
Der Zarlt schmolz.
Rogal starrte auf das Unbegreifliche. Seine Hand begann zu zittern, und der Energiestrahl
wanderte ungezielt und wahllos durch den Raum, setzte die Vorhänge an den Fenstern in Brand und
erlosch schließlich flackernd.
Seitlich wurde eine Tür aufgerissen. Vier Männer stürmten in das Schlafgemach, stürzten sich
auf den Attentäter und entrissen ihm die Waffe. Rogal wehrte sich nicht. Immer noch fassungslos
starrte er auf den von ihm getöteten Zarlt.
Der Zarlt war merkwürdig gestorben …
Rauhe Fäuste rissen seine Arme auf den Rücken. Mit einem letzten Blick zur Wand sah Rogal, wie
sich die Geheimtür geräuschlos schloß. Wenigstens wußten die Wachen nun nicht, wie er in diesen
Raum gelangt war. Sollten sie sich den Kopf zerbrechen.
Widerstandslos ließ er sich aus dem Schlafgemach führen. Er wunderte sich flüchtig darüber,
daß niemand nach dem Toten schaute. War den Wachen der Tod des Tyrannen bedeutungslos? Sie
stießen ihn in den Nachbarraum und dann hinaus auf den breiten Ringkorridor.
Irgendwo surrte eine Alarmvorrichtung. Türen wurden aufgerissen, und neugierige Gesichter
starrten sekundenlang auf die vorbeieilende Gruppe. Dann schlossen sich die Türen wieder. Es war
niemals gut, wenn man zuviel sah.
Das Surren erstarb.
Die vier Bewacher machten vor einer Tür halt. Einer klopfte an. Eine Stimme antwortete
mürrisch, dann öffnete sich die Tür.
Ein Mann trat auf den Gang und blickte aus verschlafenen Augen auf die seltsame Gruppe und den
Gefangenen.
Rogal spürte, wie eine eisige Hand nach seinem Herzen griff.
Er starrte in die plötzlich kalt und erbarmungslos werdenden Augen von Zarlt Demesor.
»Er müßte längst zurück sein, wenn alles gut verlaufen wäre.«
Die Stimme klang zugleich besorgt und voll schwacher Hoffnung. Sie gehörte einem älteren Mann,
der in einem bequemen Sessel vor einem Elektro-Feuer saß und sich die Füße wärmte. Außer ihm
waren noch fünf andere Zaliter anwesend, die alle einen übernächtigten Eindruck machten.
»Er kann sich verspäten, Zernif«, tröstete einer von ihnen. »Vielleicht muß er warten, ehe er
handeln kann. Es gibt so viele Möglichkeiten, die wir nicht einkalkulieren können …«
»Und
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