Silberband 008 - Festung Atlantis
machte keinen Versuch, durch die Ellipse hindurchzukriechen. Die Tatsache, daß sie
vorhanden war, schien ihm Beweis genug, daß der Rückweg offenstand. Außerdem hatte er keine Zeit
zu verlieren.
Er hielt nach den Punkten Ausschau, die Lloyd und er bis vor kurzem für Abbildungsfehler
gehalten hatten, und fand sie – weit drüben, dicht vor der schwarzen Wand, die nach allen
Seiten hin den Abschluß der ›Bühne‹ bildete.
Sie waren von seinem jetzigen Standort aus nicht wesentlich deutlicher zu erkennen als von
Lloyds Zimmer. Er marschierte davon, um sie sich aus der Nähe anzusehen.
Es kam ihm vor, als sei der Boden, auf dem er sich bewegte, außergewöhnlich hart. Nach einer
Weile begannen seine Füße bei jedem Schritt zu schmerzen. Rous blieb stehen, beugte sich nieder
und nahm sich Zeit, das Material zu untersuchen, aus dem die großen, unregelmäßig geformten
Platten bestanden. Er trug ein Messer bei sich, klappte es auf und versuchte, die Oberfläche der
Platte zu ritzen. Der Versuch mißlang. Rous war gezwungen einzusehen, daß das Plattenmaterial
zumindest härter war als die Klinge seines Messers – und das bedeutete schon recht viel.
Für die anderthalb Kilometer, die ihn ursprünglich von dem nächstliegenden jener ›Punkte‹
getrennt hatten, die er untersuchen wollte, brauchte er infolge der Beschwerden des Marsches fast
eine Stunde. Schon eine Weile früher konnte er jedoch erkennen, daß das, worauf er sich
zubewegte, nichts anderes als eine Statue war.
Die Statue war bunt und stellte einen kleinen Mann dar, der Rous nicht einmal bis zum Kinn
reichte.
Der kleine Mann hatte helle Flecken im Gesicht, die wie Pockennarben aussahen. Das Gewand, das
er trug, war an manchen Stellen geflickt, und seine Schuhe sahen staubig aus. Alle diese Merkmale
hatte der Künstler sorgfältig auf seine Plastik übertragen.
Rous versuchte herauszufinden, aus welchem Stoff die Statue bestand. Auf den ersten Blick
hatte er den Eindruck, als sei alles echt: das Fleisch aus Fleisch und die Kleider aus Stoff.
Aber als er den Umhang berührte, den der kleine Mann trug, fühlte er sich an wie kalter, harter
Stein und ließ sich um keinen Fingerbreit bewegen.
Rous stand eine Weile und starrte das seltsame Gebilde an. Je länger er darüber nachdachte,
desto weniger konnte er sich des Eindrucks erwehren, daß der unbekannte Künstler einen Bewohner
der Welt Mirsal II nachgebildet habe. Dieser kleine Mann, wenn er lebendig gewesen wäre, hätte
weder in Fillinan noch in einer anderen mirsalesischen Stadt Aufsehen erregt.
Für ein paar Augenblicke kam Rous ein grotesker Verdacht: Waren die Mirsalesen selbst die
unsichtbaren, unheimlichen Feinde? Waren die zwei Millionen Verschwundenen nichts weiter als die
Akteure eines großen Täuschungsmanövers, das zu nichts anderem diente, als die Terraner in die
Irre zu führen – womöglich aus der Mirsal-Gegend zu verjagen?
Rous dachte darüber nach und gab den Verdacht schließlich wieder auf. Er war närrisch. Mirsal
II stand am Beginn des Raumfahrt-Zeitalters. Hier hatte man von der Anwesenheit der Terraner auf
Mirsal III, wo das rätselhafte Verschwinden zum erstenmal beobachtet worden war, keine Ahnung
gehabt, denn bis zum heutigen Tag war kein mirsalesisches Raumschiff bis in die Nähe von Mirsal
III gekommen, geschweige denn, dort gelandet.
Nein, die Mirsalesen waren unschuldig. Es blieb Rous nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß
die Bewohner dieser Welt, in der er sich jetzt befand, rein zufällig den Bewohnern von Mirsal II
ähnlich waren.
Er sah sich um. Die schwarze Wand, die er als erstes nach seinem Auftauchen wahrgenommen
hatte, war nur noch rund fünfhundert Meter von ihm entfernt. Sie interessierte ihn. Er wollte sie
sich ansehen und wollte wissen, warum es dahinter nichts mehr zu sehen gab.
Er warf der merkwürdigen Statue einen letzten Blick zu …
Und blieb wie angewurzelt stehen, vor Schreck erstarrt.
Er war sicher gewesen, daß der kleine Mann die Augen weit offen gehabt hatte, als er ihn zum
erstenmal sah. Er erinnerte sich, daß ihn die eigenartig violette Färbung der
Regenbogenhaut – wie sie auch ein Merkmal der Mirsalesen war – stutzig gemacht hatte.
So aber, wie der Mann die Augen jetzt hielt, hätte er diese Färbung überhaupt nicht entdecken
können. Es sah so aus, als seien ihm in der letzten Viertelstunde die Lider vor Müdigkeit langsam
nach unten gesunken. Beide Augen waren jetzt
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